Gegen jede direkte und indirekte ausländische Militärintervention in der Region
Der nachstehende Aufruf ist ein ebenso ermutigendes, wie seltenes Zeichen einer breiten politischen Solidaritätskampagne aus einem europäischen Land, Italien, mit den Akteuren der arabischen Revolution.
Das Bedürfnis nach Freiheit und der hartnäckige Kampf der Frauen und Männer Nordafrikas und des Mittleren Ostens für Gerechtigkeit geht weiter. Immer noch demonstrieren Tausende auf den Plätzen Ägyptens und Syriens – wie auch in anderen arabischen Ländern – für das Ende autoritärer und illegitimer Regime. Immer noch töten und unterdrücken die «Ordnungskräfte» und versuchen, die Aufstände für Gerechtigkeit, Freiheit und Würde zu stoppen.
In Ägypten haben die formell «demokratischen» Wahlen die Herrschaft der Streitkräfte und die Repression gegen die radikaleren und konsequenteren Teile der demokratischen und revolutionären Bewegung nicht beendet. Die Proteste in Kairo, die Streiks in verschiedenen Bereichen der Produktion, die Demonstrationen der Frauen sind Zeichen eines demokratischen Prozesses, der durch Wahlen allein nicht gestoppt werden und vor allem nicht unter der Vormundschaft der Streitkräfte gedeihen kann.
Damit Ägypten wirklich den Weg der Demokratie einschlagen kann, müssen die Streitkräfte die politische Macht abgeben und ihre ökonomischen und finanziellen Geschäfte aufgeben.
H
In Syrien unterdrückt das Regime von Bashar El Assad gewaltsam die Demonstrationen der Opposition. Tausende von unabhängigen Zeugen dokumentierte Tote; Ausweisungen und Festnahmen von Journalisten, die nicht beim Regime als «embedded» (integriert) registriert sind; Tausende Festnahmen von Dissidenten, die das Regime selbst zugibt; Unterdrückung der Pressefreiheit – Journalisten und Karikaturisten werden ermordet oder zusammengeschlagen, ebenso Vertreter von Menschenrechtsorganisationen; die ständige Ausrufung des Ausnahmezustands trotz des Versprechens seiner Aufhebung.
Die Legitimität des Baath-Regimes ist lange vorbei und kann auch nicht auf Basis der internationalen oder regionalen Lagerbildung aufrechterhalten werden.
Die syrische Bevölkerung ist in mehrfacher Hinsicht Opfer: Sie ist Opfer der Repression und des autoritären Charakters des Regimes; sie ist Opfer des Desinteresses der sog. «internationalen Gemeinschaft», die Sorge hat, ein regionales Gleichgewicht zu stören, das im Interesse der USA, Europas, Israels und anderer regionaler und überregionaler Mächte einen «kalten» Konflikt perpetuiert; sie ist Opfer der Manöver der reaktionären arabischen Regime (in erster Linie Saudi-Arabien, Jordanien und Qatar), die Assad loswerden wollen, um ein ihren Interessen gefügigeres Regime zu installieren.
Wir können und wollen uns nicht der «geopolitischen» Logik unterordnen, sondern wir reihen uns ein in die Logik von Freiheit, Gerechtigkeit und Würde.
Wir sind gegen jede militärische Intervention in Syrien – weil das jüngste libysche Beispiel gezeigt hat, dass der von der NATO verfolgte «Schutz» der Zivilbevölkerung Leid und Tote bringt – ein würdeloses Spiel auf dem Rücken der Bevölkerung; weil jede ausländische Intervention die syrische Bevölkerung und die demokratischen und revolutionären Kräfte der Kontrolle über die Zukunft ihres Landes und seiner Souveränität beraubt und sie zu Gefangenen der Interessen der Großmächte und/oder der regionalen Mächte macht. Eine ausländische Militärintervention würde jeden positiven Ausgang der Revolte begraben und für den revolutionären Prozess in der gesamten arabischen Welt und im Mittleren Osten einen schweren Rückschlag bedeuten.
Wir wollen die ägyptischen und syrischen Demokraten in ihrem Kampf für wahre Demokratie, für die Achtung der Menschenrechte und für Gerechtigkeit und Würde unterstützen.
Deshalb appellieren wir an alle Demokraten, dass sich auch in Italien eine starke und breite Kampagne entwickelt:
– für die Unterstützung der syrischen Bevölkerung und der ägyptischen Demokraten, für das Ende der Repression
– für die Unterstützung aller arabischen Bevölkerungen in ihrer Revolte, für die Solidarität mit allen revolutionären, demokratischen und Volkskräften; gegen die Repression der Regime und für ihre internationale politische Isolierung – von unten und auf institutioneller Ebene, doch kein Embargo gegen die Bevölkerungen;
– gegen jede mögliche militärische Intervention «ohne Wenn und Aber»; Nein zu jeder «humanitären» Mission, zu Flugverbotszonen (der erste Schritt in den Krieg), zur Entsendung von Truppen und zur Verwendung der Militärbasen in Italien. Wir wollen, dass die UNO eine unabhängige und unbewaffnete Untersuchungskommission organisiert, die sich sofort nach Syrien begibt, die Menschenrechtsverletzungen überprüft und die Bedingungen für freie Wahlen und ein Ende der Repression schafft.
Der Aufruf wurde veröffentlicht von der Online-Zeitung ilmegafonoquotidiano.it und u.a. unterzeichnet von: Luisa Morgantini (Mitglied der Vereinigten Linken (GUE/NGL) im Europa-Parlament und aktiv in der Palästina-Solidarität), Vittorio Agnoletto (Rifondazione Comunista), Marco Bersani (Mitbegründer von Attac und aktiv gegen AKWs und für die öffentliche Wasserversorgung), Salvatore Cannavò (Redazione Erre), Franco Russo (Nationales Komitee gegen die Schulden), Alessandra Mecozzi (Internationale Abteilung FIOM).
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.