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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2012

Manroland überlebt, fast die Hälfte der Arbeitsplätze geht verloren.

von Jochen Gester

Das Konkursverfahren gegen die insolvente Manroland AG hat jetzt ein vorläufiges Ergebnis. Der Konzern wird zerschlagen, das Augsburger Werk vom Lübecker Mittelständler L.Possell & Co übernommen. Eine spätere Übernahme des Plaueners Werks ist Option. An der Niederlassung in Offenbach hat der neue Eigner kein Interesse.

Diese beiden Werke werden vorübergehend vom Konkursverwalter auf dem Wege des sog. Management-Buyouts weitergeführt, um die Kosten so zu reduzieren, dass sie den Appetit von Investoren anregen.
Insgesamt verlieren 2210 der insgesamt etwa 4600 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz. In Offenbach sind es 970 von 1750, in Augsburg 740 von 2132 und in Plauen 500 von insgesamt 680. Die Entlassenen wechseln in eine der bekannten Transfergesellschaften, die jedoch nur sechs Monate bestehen sollen, obwohl eine 12-monatige Dauer möglich ist. Die Gekündigten erhalten in dieser Zeit Unterhaltsgeld in Höhe des ALG I. Abfindungen sind nicht vorgesehen. Am Schluss haben die Belegschaften die Zeche dafür gezahlt, dass sie große Hoffnungen in die Unterstützung von Leuten setzten, die diese dann enttäuschten.

Das Vertrauen auf die eigene Kraft und auf die Solidarität mit seinesgleichen war dagegen deprimierend gering. Das ist keine Momentaufnahme, sondern Ergebnis eines langjährigen Prozesses. Rainer Herth, Vertrauenskörperleiter im Offenbacher Werk, meint dazu: «Seit fast zehn Jahren wird bei allen drei Druckmaschinenherstellern das ‹Pforzheimer Abkommen› angewandt und voll ausgeschöpft. Dieses Niederkonkurrieren auf dem Rücken der Arbeiter ist im schlechtesten Sinne des Wortes beispielhaft. Tausende wurden dabei entlassen und Tarife unterboten. Ein weiteres Ergebnis sehen wir jetzt: Demoralisierte Belegschaften, die das Kämpfen verlernt haben, die ihre Kolleginnen und Kollegen als Konkurrenten sehen, statt als Verbündete.» (express, Nr.12, 2011.)
Selbstkritische Töne aus Augsburg gab es nicht, oder sie fanden nicht Eingang in die Medien. Der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Baensch erklärte, als sei er Teil einer Erfolgsgeschichte: «Ich gehe davon aus, dass wir mit dem deutlichen und harten Personalschnitt eine Größenordnung erreicht haben, mit der wir langfristig stabil arbeiten können.»
Anders in Hessen. «Die Offenbacher Betriebsräte kritisierten diese Summe [die Ausstattung der Transfergesellschaft mit 24 Mio. Euro] als ‹Peanuts› und warfen der IG Metall vor, sie habe sich kaufen lassen» (Süddeutsche Zeitung, 24.1.12). Und die Frankfurter Rundschau berichtete von der Bescherungs-Betriebsversammlung: «Es hat Tumulte gegeben, Betriebsrätin Alexandra Roßel wurde niedergepfiffen, und einige Männer haben geweint. Von diesen Szenen voller Wut und Trauer während der Betriebsversammlung des Druckmaschinenherstellers Manroland in Offenbach berichteten Beschäftigte, als sie gestern gegen 12 Uhr aus dem Werkstor strömten.»
Dabei zeigt das Zustandekommen dieser Peanuts auch, wie der Gegner zu fassen ist. Es war die Furcht vor unangenehmem Imageschaden für die Allianz AG durch eine angekündigte gemeinsame Demonstration der Manroland-Belegschaften in München, die die Versicherer dazu bewegte, 17 von 24 Mio.Euro dieser Summe zu zahlen. Doch bedenkt man, dass die Allianz allein in 2010 8 Mrd. Euro Gewinn gemacht hat, ist diese Zahlung mehr als dürftig. Für eine Gewerkschaftspolitik, die langfristig etwas zu verändern sucht, wäre es wohl besser gewesen, diese Demonstration durchzuführen, statt sie sich abkaufen zu lassen. Exakt das gleiche Prozedere gab es 2006 bei der BSH.
VK-Leiter Herth schlug im Dezember etwas anderes vor: «Wenn der Insolvenzverwalter uns eine Lösung präsentiert – und die liegt bei jeder Variante nur zwischen Massenentlassungen und der vollständigen Liquidierung –, muss der Betrieb besetzt werden, um zu retten, was sowieso uns gehört, oder im Falle eines Verkaufs unsere Abfindungen daraus zu zahlen.»
Hierzulande dauert es wohl etwas länger, bis sich die Ohren öffnen für Ideen, die anderswo bereits mit Leben erfüllt werden.

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