Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2012
von Arno Klönne

Einmal mehr ist die Partei Die Linke unter massenmedialen Beschuss und in quälende innere Konflikte geraten: Einige ihrer Bundestagsabgeordneten haben einen Aufruf unterzeichnet, über den überall in der Presse und in den Online-Gazetten zu lesen war, erdrücke «Solidarität mit dem mörderischen Assad-Regime und der iranischen Diktatur» aus.

Etliche Kommentare, so in der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau, fügten auch gleich hinzu, hier habe man es mit einer «Fortsetzung linken antisemitischen Treibens» zu tun.
Wie gewohnt reagierten manche Politike aus der Führungsetage der LINKEN verängstigt und taktisch, und in linken Internetforen brach wieder einmal eine zumeist verwirrende, mit gegenseitigen Beschimpfungen angereicherte Debatte zwischen den Fraktionären aus. Werner Pirker begab sich in der jungen Welt auf publizistische Trotzkistenjagd, weil die Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz zwar dem Appell gegen NATO-Interventionismus zugestimmt, gleichzeitig aber Nein zum Assad-Regime gesagt hat. Und im Deutschen Bundestag wurde DIE LINKE wieder einmal als «diktaturfreundlich» entlarvt, aus «Sorge um das syrische Volk», was die meisten Abgeordneten allerdings nicht daran hinderte, dieser aktuellen Stunde fernzubleiben, denn in Wahrheit ging es ja um nichts anderes als darum, den Medien Stoff zu liefern für eine Verteufelung der Linken.
Angeheizt wurde die öffentliche Aufregung durch jenen Arbeitskreis in der Linksjugend-Solid, der seltsamerweise unter dem Namen «Shalom» auftritt und zum Ziel hat, die LINKE von, wie er meint, «antiamerikanischen» und «antiisraelischen» Tendenzen zu reinigen.

Der erwähnte Aufruf ist überschrieben: «Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!» Beifallsbekundungen oder Sympathieerklärungen für Assad oder einen der «Führer» des iranischen Staates sind im Text nicht enthalten. Dass fast alle Medien ihm diese andichteten, war Routine; der propagandistische Kampf gegen die Linke, nicht nur gegen die Linkspartei, ist Teil des diskurspolitischen Alltagsgeschäfts hierzulande, da mögen einige Spitzenleute der Linkspartei sich noch so sehr um gnädige Behandlung bemühen. Und Teil dieser kämpferischen Anstrengungen ist es, Streit in die Linke selbst hineinzubringen, eine Partei wie die LINKE dahin zu drängen, dass sie sich an inneren Gegensätzen zerreibt. So etwas gehört einfach dazu.

Allerdings hat der Text des Aufrufs es dessen demagogischen Verwertern bequem gemacht, und – weitaus wichtiger noch, weil es die Verständigung innerhalb der Linken selbst betrifft: Es wird darin nicht gesagt, was denn «Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens» gesellschaftspolitisch bedeutet.
Das Volk als «Volksgemeinschaft» gibt es auch dort nicht, das wäre eine die Realität verschleiernde Deutung, es existieren auch in diesen Ländern harte Konflikte zwischen sozialen Klassen, zwischen Herrschaftscliquen und Unterdrückten. Auf «ethnisierende» Ablenkungen wird im Aufruf immerhin hingewiesen; aber für welche sozialen und politischen Perspektiven in den Gesellschaften des Nahen Ostens ergreift er denn international Partei?
Im Mittelpunkt des Aufrufs steht der Appell, «der Kriegspolitik entgegenzutreten», mitsamt dem Embargo als kriegsvorbereitender Maßnahme (wie sie ja auch vor dem Irakkrieg eingesetzt wurde). Diese Aufforderung ist richtig und notwendig, freilich sollte man sie nicht an die deutsche Bundesregierung adressieren, denn die hat sich ja prinzipiell für den weltweiten militärischen Interventionismus entschieden.
Es geht vielmehr darum, den Protest in der Öffentlichkeit auszuweiten und kräftiger zu machen, nur Druck «von unten» bewirkt hier etwas. Noch bewegt sich die Bewegung gegen die Kriegspolitik zu wenig. Da ist viel zu tun. Aber genügt es, sich gegen die in Vorbereitung befindlichen Militärschläge von NATO-Staaten zu wenden und «Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten» (so der Aufruf) zu fordern?
Die Linke ist keine staatliche Institution. Sie ist gesellschaftliche Opposition. Ihre Sache ist es, beides zugleich öffentlich zum Ausdruck zu bringen: Widerstand gegen die globale, von ökonomischen und geopolitischen Machtinteressen gesteuerte, die Sorge um Menschenrechte nur vorschiebende Kriegmacherei – und Solidarität mit all denjenigen, die in ihrem eigenen Lande den mühsamen Weg politischer und sozialer Emanzipation gehen wollen, im Konflikt mit dem herrschenden Regime.

Übrigens ist zum Fall Syrien auch klarzustellen: Die dortigen Machthaber konnten, bis sich die politisch-strategische Lage in Nordafrika und im Nahen Osten veränderte, durchaus mit freundlichem Interesse von Regierungen des «Westens» rechnen. Auch die deutsche Bundesregierung mitsamt ihrem Geheimdienst pflegte Beziehungen zum Assad-Regime, das «Rückübernahmeabkommen», gegen syrische Asylsuchende gerichtet, zeugt davon.

Noch eine Bemerkung zum Arbeitskreis von «solid», der sich «Shalom» nennt: Was auch immer ihn motivieren mag, in seiner Funktion dient er der Verinnerlichung der Doktrin des weltweiten Zugriffs von NATO-Staaten, speziell im linken Diskurs. Dass es «antiamerikanisch» und «antiisraelisch» sei , sich gegen diese Kriegspolitik zu wenden, ist begrifflicher Trug, es sei denn, man setzt die Gesellschaften der USA und Israels mit den Interessen ihrer Machteliten gleich. Das wäre «volksgemeinschaftlicher» Lug – mit linksjugendlichem Anspruch eigentlich nicht vereinbar.
Immer mehr Menschen haben in den USA sozialmateriell, in Israel auch im Hinblick auf die Stellung ihres Landes in der Nahostregion, darunter zu leiden, dass ihre Regierungen auf internationale Gewalt setzen. Mit Bellizismus, der sich «links» gibt, ist ihnen nicht geholfen. Auch keinem der Unterdrückten, der politisch und sozial Aufbegehrenden, nicht in Syrien und im Iran, und nirgendwo sonst.

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