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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2012

Das Dilemma linker Kommunalpolitik
von Jürgen Aust

Dem Konflikt um das FOC ging einige Wochen vorher ein Streit um die freigewordenen Beigeordneten-Stelle für den Bereich Stadtplanung und -entwicklung voraus. Im Rahmen des auf Ratsebene im März 2011 geschlossenen Kooperationsvertrages zwischen SPD, Grünen und der LINKEN hatte die LINKE das Vorschlagsrecht für diese Stelle erhalten, die aufgrund einer parteiinternen Debatte mit einer Frau besetzt werden sollte. Im November 2011 wurde dann zur Überraschung der Mitgliedschaft bekannt, dass die Fraktion eine qualifizierte linke Bewerberin abgelehnt und sich im Kooperationsausschuss für einen Kandidaten mit SPD-Parteibuch ausgesprochen hatte.

Die Fraktion setzte sich dann auch über den Beschluss der Parteimitgliederversammlung, sich weiterhin für eine linke Kandidatin stark zu machen, hinweg und stimmte am 30.1.2012 dem neuen Baudezernenten der SPD zu (er wurde auch mit den Stimmen von CDU und FDP gewählt).

Die Konflikte stehen stellvertretend für ein grundsätzliches Dilemma linker Parlamentsarbeit und insbesondere Kommunalpolitik: programmatisch die Überwindung des Kapitalismus zu fordern, aber sich (insbesondere) auf kommunaler Ebene mit eben diesem Kapitalismus und seinen Vertretern zu arrangieren, um «gestaltend» eingreifen zu können. Dieses Politikverständnis wurde noch zu Zeiten der PDS im Jahre 1996 von einem ihrer «Vordenker», André Brie, mit dem Ziel formuliert, dass die Partei Regierungsbeteiligungen anzustreben und dafür «Verantwortung» übernehmen müsse. Diese so verstandene Verantwortung für «das Ganze» führte in der Folgezeit in Mecklenburg-Vorpommern und später in Berlin und Brandenburg dazu, dass die PDS und ab 2007 DIE LINKE in Regierungskoalitionen mit der SPD eintrat, in denen sie im wesentlichen gegen ein paar Zugeständnisse in Randbereichen die neoliberale Politik mitzutragen bereit war.

Diese sog. «Berliner Linie» ist inzwischen auch im Westen, zumindest in der Kommunalpolitik, angekommen. Wenn der Duisburger Fraktionsvorsitzende erklärt, «eine Rats- und Bezirksfraktion, die in dieser Stadt Verantwortung (sic!) tragen, können und dürfen sich nicht verhalten wie eine Ein-Punkt-Bürgerinitiative», dann bringt er damit genau das «Wir-Gefühl» zum Ausdruck, welches auch seinen ersten Kommentar nach der erfolgreichen Abwahl von OB Adolf Sauerland prägte, als er u.a. erklärte, deren wichtigstes Ergebnis sei, «dass sich Stadt und Bürger ihre Würde zurückgeholt haben».

Das in der Position der Fraktion zum FOC zum Ausdruck kommende Politikverständnis ist keinesfalls ein «Ausrutscher», sondern setzt eine Linie fort, die seit vielen Jahren die Politik der Linksfraktion in Duisburg bestimmt.

So haben Fraktion bzw. ihre Bezirksvertreter erst im vergangenen Jahr ebenfalls im Duisburger Norden ihre Zustimmung einem Häuserabriss erteilt, der noch eine erheblich größere Dimension als die hat, die mit dem FOC verbunden ist. Es handelt sich dabei um das seit vielen Jahren umkämpfte Projekt «Grüngürtel Duisburg-Nord», bei welchem sich der Thyssen-Konzern mit einem millionenschweren Zuschuss von Umweltauflagen freikaufte und die Stadt im Gegenzug einen sog. «Grüngürtel» schafft, der mit dem Abriss von ca. 750 Wohnungen und der Umsiedlung von ca. 2000 Menschen verbunden ist. Auch zu diesem Projekt hat die Linksfraktion ihre Zustimmung nach dem Motto erteilt: «Was für Thyssen gut ist, ist auch gut für die Stadt.»

Dasselbe Politikverständnis bzw. «Wir-Gefühl» findet sich in der aktuellen Debatte um ein gigantisches Spardiktat wieder, welches die Landesregierung vielen notleidenden Kommunen in NRW, u.a. auch Duisburg, aufzwingen wird, weil es völlig unzureichende «Entschuldungshilfen» mit dramatischen Sparmaßnahmen für die kommunalen Haushalte verbindet. Auch hier ist der Duisburger Fraktionsvorsitzende bereit, für die Stadt «Verantwortung» zu übernehmen, wenn er u.a. erklärt: «Wir (sic!) müssen den Haushaltsausgleich für die nächsten Jahre erreichen,» dabei aber unterschlägt, dass dies ohne gravierende Einschnitte im Personal- und Sozialbereich nicht möglich ist und damit gegen grundsätzliche programmatische Positionen der Linken verstößt.

Wenn die LINKE die schleichende «Sozialdemokratisierung» ihrer Politik verhindern will, dann muss sie insbesondere auch in den Kommunen deutlich machen, dass es neoliberalen Parteien und Akteuren auch hier um die Durchsetzung kapitalistischer Interessen geht und eine an mehr Lebensqualität orientierte Stadtpolitik das Gegenteil von dem ist, was den Interessen von Thyssen oder Investoren von Outlet-Centern dient.

Der Autor ist Mitglied im Landesvorstand DIE LINKE.NRW und Mitglied des Kreisverbands Duisburg.

 

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