von Hermann Dierkes, Vorsitzender der Ratsfraktion, Herbert Fürmann, Vorsitzender Bezirksfraktion Hamborn, Charlotte Weyers, Sprecherin des Ortsverbands Hamborn
Der Aufschrei in der Hamborner Zinkhüttensiedlung gegen das Vorhaben der [Wohnungsgesellschaft] Immeo, die Mieter umzusiedeln, weil 400 Wohnungen an den Factory Outlet-Investor verkauft werden sollen, haben erneut den Meinungsstreit um das FOC angeheizt, auch im Kreisverband der LINKEN.
Das facettenreiche Thema sollte nicht «aus dem Bauch» diskutiert werden. Der drohende Verlust einer Wohnung ist ohne jeden Zweifel eine schwere Belastung. Wir können die Sorgen vieler Mieter nachvollziehen, die hier schon jahrzehntelang ihr Lebensumfeld haben. Wir setzen uns klipp und klar für faire Lösungen ein. Die Ratsmehrheit hat am 17.10.2011 entsprechend beschlossen. Immeo hat sich dazu bereit erklärt.
Kommunalpolitisch müssen wir Interessenabwägungen vornehmen, die Perspektiven und Alternativen deutlich machen. Duisburg ist überschuldet, von hoher Erwerbslosigkeit und Sozialnot gekennzeichnet. Wir brauchen dringend mehr Erwerbsarbeitsplätze, Gewerbesteuereinnahmen und wirtschaftliche Belebung. Der Norden unserer Stadt hat es besonders nötig, und es gibt Innenstadt-Lobbyisten im großflächigen Einzelhandel, denen dieser Teil unserer Stadt am Allerwertesten vorbeigeht. Der erfreulich boomende Brautmodenhandel in Marxloh und ein thematisches Einkaufszentrum wie das FOC (v.a. Textilien, Schmuck) können aber zusammen die Mischung bringen, in der richtig Musik drin ist. Alternativen dazu sind leider nicht in Sicht.
Was soll mit der stillgelegten Rhein-Ruhr-Halle (einem energetischen und asbesthaltigen Fossil) und dem alten Stadtbad werden, wenn das FOC nicht kommt? Der Investor will sie umbauen und in das FOC einbeziehen. Die Stadt selbst hat für andere Lösungen kein Geld.
Was wird mit dem verzögerten Neubau der Ersatzhalle am Rhein-Ruhr-Bad? Dafür werden die 6,5 Mio. Euro aus dem Verkauf städtischer Grundstücke an den Investor gebraucht. Eine Rats- und eine Bezirksfraktion, die in dieser Stadt politische Verantwortung tragen, können und dürfen sich nicht verhalten wie eine Ein-Punkt-Bürgerinitiative. Wohnrecht ist das eine. Das Recht auf Arbeitseinkommen und eine handlungsfähige Kommune das andere. Politik, die jeglichen Siedlungsbestand und Straßenzug für tabu erklärt, um Industrie- oder Gewerbeansiedlungen zu verhindern, ist zum Scheitern verurteilt. Zurecht würde ihr Unfähigkeit vorgeworfen, Wirtschaftsentwicklung, Arbeit, Einkommen zu fördern.
Duisburg ist eine schrumpfende Stadt, seit den 70er Jahren sind über 120.000 Einwohner verloren gegangen – vor allem wegen der katastrophalen Arbeitsplatzverluste. Es gibt zahlreiche Wohnungsleerstände. Seit vielen Jahren sind immer wieder ältere Häuser, Schrottimmobilien und ganze Wohnviertel um Industriebetriebe oder für Großvorhaben abgerissen worden – von Walsum über Marxloh, Beek bis in den Süden unserer Stadt. Es war und bleibt wichtig, für die Umsiedlungen die Eigner in die Pflicht zunehmen, um angemessene Alternativen und Sozialpläne zu kämpfen. Das Großprojekt FOC ist seit fast 5 Jahren in Vorbereitung, wurde öffentlich diskutiert und in den Gremien behandelt.
Der Investor hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er mehr will als nur die beiden städtischen Grundstücke. Die Verhandlungen zwischen Immeo, Grillo und dem FOC-Investor mussten aber Rücksicht nehmen auf das europaweite Ausschreibungsverfahren und warten auf die Entscheidung des Rates am 17.10.2011. Am 26.9.2011 hatte er Fraktion und Kreisvorstandsvertretern das aktuelle Konzept zuletzt vorgestellt. In wenigen Wochen steigt die Bürgerbeteiligung im Rahmen der Planfeststellung. Da kommen Pro und Kontra umfassend zur Sprache. Auch die Verkehrsproblematik, die für uns auch noch nicht zufriedenstellend gelöst ist.
Von einem Durchpeitschen kann überhaupt keine Rede sein. Wir sind allerdings davon überzeugt: Scheitert das FOC, besteht die Gefahr, dass der Investor oder andere Investoren die Zelte woanders aufschlagen – mit all den bösen Folgen für den Duisburger Norden und die Gesamtstadt. So ist das im real existierenden Kapitalismus.
Aus: Standpunkte, Nr.50, Beilage der Ratsfraktion. Die Zeitung erscheint unregelmäßig (herausgegeben vom Kreisverband DIE LINKE Duisburg).
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