von Hermann Dierkes
Bewegt sich die Duisburger Linksfraktion tatsächlich auf der berüchtigten „Berliner Linie“ wie von Jürgen Aust – Landesvorstandsmitglied der LINKEN NRW – in der letzten SoZ behauptet?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Kreisverband die Kooperation mit SPD und Grünen seit 2010 fortsetzen will. J. Aust gilt als einer der wenigen, die von Anfang an prinzipielle Bedenken hatten. Er beteiligt sich auch an keinerlei Gremienaktivität.
Die Gesamtfraktion der LINKEN macht in Rat und Stadtbezirken nach eigener Definition eine „ergebnisorientierte linke Kommunalpolitik“ im Sinne der Programmatik und will keinen „Propagandismus“. Dies wird von einem Teil des Kreisverbands kritisiert. Ihre Arbeit sei „nicht links genug“. Die Meinungsverschiedenheiten haben sich zu einer Krise des Kreisverbands ausgewachsen, der seit Jahren als einer der wenigen in NRW als stabil und handlungsfähig gilt. Der Streit geht aktuell um Dezernentenbesetzung, Stadtplanung, Wohnungsleerstände, Factory Outlet-Bau, Kooperation mit SPD und Grünen usw., aber die Gesamtfraktion sieht sich mit grundsätzlichen Vorwürfen konfrontiert, auch von einzelnen Stimmen aus der Landesebene (aus Parteiführung und ehemaliger Landtagsfraktion). Die Gesamtfraktion nimmt diese Vorwürfe nach eigenem Bekunden ernst, hat eine Selbstverständnis-Diskussion geführt und ein Ergebnis-Papier verabschiedet. Ihre Arbeit, so die Fraktion, sei für die LINKE im Westen Neuland und habe experimentellen Charakter. Dabei seien auch Fehler unvermeidbar. Aber, so die Fraktion, der Streit geht darum, „was kommunalpolitische Arbeit und die Übernahme von politischer Verantwortung aus linker Sicht leisten soll und leisten kann.“ Die Fraktion kämpfe erfolgreich „in einer überschuldeten Kommune im Rahmen von gesetzlichen und faktischen Handlungsmöglichkeiten eigenständig und in einem kommunalen Mehrheitsbündnis gegen weitere Verschlechterungen und für Verbesserungen auf möglichst vielen kommunalen Handlungsfeldern.“ Die Fraktion hat im Bündnis mit SPD und Grünen bereits zwei Kommunalhaushalte verabschiedet, mit denen einschneidende Kürzungen im Sozial-, Kultur- Jugend- und Sportbereich und weitere Privatisierungen verhindert werden konnten. Die Einnahmen des Haushalts wurden durch eine Anhebung der Gewerbesteuer in 2010 und auch der Grundsteuer B in 2011 deutlich verbessert. Fraktionsvorsitzender Hermann Dierkes: „In Berlin hatte es die LINKE in ihrer Koalition mit der SPD leider 10 Jahre lang nicht zu einer Anhebung gebracht.“ Positiver als ihre (ehemalige) Landtagsfraktion sieht die Linksfraktion auch die Landesinitiative zur Unterstützung notleidender Kommunen, die allein Duisburg bis 2021 über 400 Mio. Euro bringen wird, um – zusammen mit den geforderten Eigenbeiträgen - den Haushalt auszugleichen. Sie drängt allerdings darauf, den Bund als Hauptverursacher der kommunalen Verschuldung viel stärker in die Pflicht zu nehmen. Positiv sieht die Linksfraktion auch ihr Mitwirken für die Übernahme der Mehrheit am Energiekonzern Steag durch ein kommunales Konsortium von 6 Revier-Stadtwerken sowie den erfolgversprechenden Kampf gegen die Privatisierung des Bundesanteils an der DuisPort-Gruppe, von der sich der kommunale Haushalt die längst eingeplanten Dividendenzahlungen erhofft. Auf zahlreichen kommunalen Handlungsfeldern setzt die Linksfraktion ihre Duftmarken. Bei der erfolgreichen Abwahlkampagne gegen OB Sauerland hat die LINKE seit der Love-Parade-Katastrophe eine wichtige Rolle gespielt.
„Wir gehen davon aus“, so das Fraktionspapier, „ daß diese Meinungsverschiedenheiten nicht schnell zu überwinden sind, sondern einen längeren Prozess der Diskussion, Klärung und Verständigung erfordern.“ Dazu seien wechselseitig verbindliche Regeln unverzichtbar. „In der Kommunalpolitik“, so das Papier weiter, „können und müssen wir (…) Gestaltungsspielräume wahrnehmen – im Rahmen einer kapitalistischen Gesellschaft. Selbstverständlich müssen wir immer die reine Kapitalverwertungslogik infrage stellen, schwächen oder wenn möglich verhindern. Deshalb setzen wir uns für die Stärkung öffentlicher Unternehmen, für Rekommunalisierung, für soziale Gerechtigkeit und Demokratisierung, Gleichstellung und Emanzipation, Umwelt- und Naturschutz, usw. ein. Dabei müssen wir letztlich abwägen, was wem nützt.“ Diese Abwägung, so das Fraktionspapier, sei keineswegs immer einfach. „Oft sind mehrere verschiedene und widersprüchliche Aspekte zu beachten“, wie beim Streit um das Outlet Center. „Durchsetzbare Lösungen tragen oft Kompromisscharakter.“ Das grundlegende Ziel in Zeiten ohne konkrete Aussichten auf einen linken Machtwechsel in Bund und Land bleibe es, möglichst viele Erfolge und gute Kompromisse im Sinne unserer Programmatik und für die Menschen in Duisburg durchzusetzen. Deshalb sehe die Fraktion, so das Selbstverständnispapier abschließend, „ unter den gegebenen Umständen keinen Sinn darin, die kommunale Ebene mit Forderungen zu konfrontieren, die sie nicht leisten und nicht erfüllen kann. Dies auch deshalb, weil wir uns aus der real möglichen Einflussnahme herauskatapultieren würden, uns nicht stärken, sondern schwächen und politisch unglaubwürdig machen würden. Im Ergebnis würde eine deutliche Rechtsverschiebung in der örtlichen Kommunalpolitik stattfinden.“
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