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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2012
Auch eine Pleite der Gewerkschaft

von Helmut Born

Am 29.Februar gab der Insolvenzverwalter bei Schlecker seine Vorstellungen über die Restrukturierung der Drogeriemarktkette bekannt. Die Hälfte aller 6000 Filialen soll geschlossen, über 12.000 Arbeitsplätze vernichtet werden. Beim Tochterunternehmen «Ihr Platz» sollen weitere 900 Arbeitsplätze gestrichen werden.

Damit würden insgesamt ca. 13.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Beschäftigten sollen also die Zeche für den Unternehmenschef Anton Schlecker zahlen.

Jahrzehntelang haben die Schlecker-Frauen gegen miese Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen gekämpft, bevor sie im Sommer 2010 endlich die Anerkennung von Tarifverträgen bei Schlecker durchsetzen konnten. Vorangegangen war der Schleckere Versuch, seine Geschäfte mit einer eigens dafür gegründeten Leiharbeitsfirma und gering entlohnten Beschäftigten in XL-Filialen umzuwandeln. Die Beschäftigten der zu schliessenden kleineren Filialen sollten gekündigt und als billige Leiharbeiterinnen wieder eingestellt werden.

Die Plan-Insolvenz

Aufgrund des öffentlichen und innerbetrieblichen Drucks musste Schlecker diese Praxis aufgeben. Die Gewerkschaft Ver.di hat inzwischen eine Stärke erreicht – auch abgesichert durch entsprechende Vereinbarungen – und die Schlecker-Kolleginnen ein Selbstbewusstsein gewonnen, dass der Umbau von Schlecker nicht nach der alten Methode durchgezogen werden konnte.

Daraus zog die Familie Schlecker Konsequenzen. Der alte Betriebsrats- und Gewerkschaftsfeind Anton Schlecker übergab die Geschäftsführung an seine beiden Nachkommen. Diese sollten nun den Umbau durchführen und gleichzeitig zu den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft Ver.di freundlichere Beziehungen aufbauen. Das schien der Familie Schlecker offensichtlich geboten, da ihr Image in der Öffentlichkeit miserabel geworden war.

Weil es unter den neuen Bedingungen aber nicht möglich war, den Umbau in der erforderlichen Zeit durchzusetzen, und die Beschäftigten praktisch nicht mehr betriebsbedingt gekündigt werden konnten, rutschte das Unternehmen immer tiefer in die Verlustzone. Sog. gut informierte Kreise behaupten, Schlecker schreibe seit 2008 Verluste. Dies hatte zur Folge, dass Schlecker die Rechnungen der Lieferanten häufig sehr spät oder auch schon mal gar nicht bezahlte.

Nachdem sich abzeichnete, dass auch in 2011 mit einem hohen Verlust zu rechnen war, entschloss sich die Familie Schlecker, eine Plan-Insolvenz durchzuziehen. Diese hat den charmanten Vorteil, dass von vornherein klar ist: Das Unternehmen wird weiter geführt, allerdings wird die Restrukturierung des Unternehmens im Rahmen der Plan-Insolvenz in einem sehr kurzen Zeitraum durchgezogen. Ein intensiver Austausch mit den Betriebsräten und Ver.di sollte ihnen Gelegenheit geben, dass sie ihre Vorstellungen zur Neuaufstellung von Schlecker beitragen können.

Das führte allerdings zuerst einmal dazu, dass die Betriebsräte und Ver.di sich verpflichtet fühlten, die Insolvenz «mitzugestalten». Die Notwendigkeit, Filialen und Beschäftigung aufrechtzuerhalten, geriet gegenüber der «Rettung» des Unternehmens immer mehr in den Hintergrund. Auf der Ebene aber geben natürlich der Insolvenzverwalter und die Marktbedingungen den Takt vor.

Dieses Vorgehen bedeutet nichts anderes, als dass die Belegschaft die Zeche zahlen soll, auch wenn letzten Endes «nur» 11.200 statt 12000 Beschäftigte ihren Job verlieren sollten. Wenn die kapitalistischen Bedingungen weiterhin akzeptiert werden, bleibt selbst einer ansonsten kämpferischen Belegschaft und Gewerkschaft nichts anderes übrig, als diese Ergebnisse zu akzeptieren und letzten Endes mitzutragen.

Anderes wäre möglich gewesen

Ganz andere Ergebnisse hätten erzielt werden können, wenn die Auseinandersetzung mit einem klaren klassenkämpferischen Programm geführt worden wäre. Dann wäre als erstes die Verfügungsgewalt der Familie Schlecker und des Insolvenzverwalters über das Unternehmen in Frage gestellt und das Interesse der Beschäftigten an einer gesicherten Perspektive in den Vordergrund gerückt worden.

Das hätte allerdings bedeutet, jeglichen Abbau von Arbeitsplätzen strikt abzulehnen und eine massive Arbeitszeitverkürzung, z.B. auf 30 Wochenstunden, auf die Tagesordnung zu setzen. Damit wurde in den 90er Jahren bei VW die Entlassung von ca. 60.000 Beschäftigten verhindert. Gleichzeitig hätte man den Beschäftigten und ihren Betriebsräten erheblich mehr Mitbestimmungsrechte zugestehen müssen – bis hin zu der Möglichkeit, bei wirtschaftlichen Entscheidungen ein Votum einzulegen.

Bei Schlecker ist doch mehr als deutlich geworden, dass eine untaugliche Unternehmenspolitik für die Beschäftigten geradezu in die Katastrophe führt. Dies hätte man mit der Forderung verbinden müssen, dass die Bundesregierung über die Arbeitsplätze einen Rettungsschirm aufspannt, um sie zu erhalten und die Neuaufstellung des Unternehmens mit den Beschäftigten durchzuführen. Im Gegenzug hätte der Staat Anteile erwerben und mit den Beschäftigten, Betriebsräten und der Gewerkschaft ein neues Unternehmensmodell entwickeln können, das der Belegschaft einen Einstieg in die Selbstverwaltung ermöglicht hätte.

Leider fehlt zu solch einem Konzept noch das dafür nötige Rüstzeug. Was bleibt ist eine massive, von der Gewerkschaft akzeptierte Arbeitsplatzvernichtung. Voraussichtlich geht Ende März ein Drittel der Belegschaft in eine Transfergesellschaft, die innerhalb von einem halben Jahr die Beschäftigten in andere Stellen vermitteln soll. Danach beginnt für einen sicherlich nicht kleinen Teil die «offizielle» Arbeitslosigkeit. Sollte die Gesellschaft nicht zustande kommen, geht es gleich in die Stütze.

Dass Ver.di seine starke Stellung bei Schlecker halten oder gar ausbauen kann, darf mehr als bezweifelt werden. Zeitnah soll ja zudem über einen Sanierungstarifvertrag verhandelt werden, der zu Gehaltseinbußen für die dann noch Beschäftigten führen wird.

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