Direkte Berichterstattung aus Krisengebieten ist unumgänglich und sehr gefährlich. Zuletzt wurden wir daran erinnert, als am 22.Februar das Medienzentrum von Homs gezielt bombardiert wurde, wobei mehrere Journalisten ums Leben kamen – unter ihnen war die in England ansässige amerikanische Journalistin Marie Colvin. Nachstehend bringen wir Ausschnitte aus einer Rede Marie Colvins zu Ehren getöteter und verwundeter Journalisten vom November 2010 sowie Auszüge aus ihrem allerletzten Bericht aus Homs.
Auszüge aus einer Rede Marie Colvins vom 10.November 2010
Ich spreche heute Abend zu Ehren der Journalisten und ihrer Mitarbeiter, die ihr Leben ließen, um von den Kriegen des 21.Jahrhunderts zu berichten. Ich selber war fast mein ganzes Berufsleben lang Kriegsreporterin. Es war immer hart. Nie war es aber notwendiger als heute, direkt und objektiv zu berichten.
Kriegsberichterstattung bedeutet, dorthin gehen zu müssen, wo Chaos, Zerstörung und Tod herrschen, und dann zu versuchen, darüber zu berichten. Wenn Armeen, Familienklans oder Terroristen aneinander geraten, muss man die Wahrheit im Sandsturm der Propaganda herausfinden. Und man geht zwangsläufig Risiken ein, oft auch für diejenigen, die mit einem arbeiten.
Trotz all der scheinbar intelligenten Bomben oder zielgenauen Treffer ist die Lage am Boden erstaunlicherweise seit Jahrhunderten genau die gleiche: Krater. Verbrannte Häuser. Verstümmelte Körper. Frauen, die um ihre Kinder und Männer weinen. Männer, die um ihre Frauen, Mütter und Kinder trauern.
Wir wollen von diesen Schrecken präzise und ohne Vorurteile berichten. Wir müssen uns immer fragen, ob die Geschichte auch das Risiko, das wir eingehen, wert ist. Was ist Tapferkeit und was ist lediglich Wagemut?
Kriegs- und Krisenberichterstatter tragen große Verantwortung und stehen vor schwierigen Entscheidungen. Oft bezahlen sie diese mit dem Leben. Heute Abend ehren wir die, die ihr Leben ließen und gedenken derer, die verletzt, verstümmelt oder gekidnappt oder monatelang als Geisel gefangen gehalten wurden. Nie war es gefährlicher, Kriegsreporter zu sein, denn Journalisten in Krisengebieten sind nunmehr eines der Hauptangriffsziele.
In einem Hinterhalt im Bürgerkrieg von Sri Lanka verlor ich mein Auge. Ich war im nördlichen Gebiet der Tamilen, wo Journalisten nicht zugelassen waren, und fand ein humanitäres Desaster vor, über das nicht berichtet worden war. Als ich über die interne Grenze zurückgeschmuggelt wurde, warf ein Soldat eine Granate auf mich, das Schrapnell schnitt in mein Gesicht und meine Brust. Er wusste was er tat.
Können wir Journalisten etwas bewirken?
Ich stand vor dieser Frage, als ich verletzt war. In einer Zeitung war damals die Schlagzeile zu lesen: Ob Marie Colvin nun zu weit gegangen ist? Damals und heute meine ich: es war es wert.
Hier und heute sind Freunde und Kollegen und ihre Familien, die genau wissen, wovon ich rede.
Es ist wichtig, dass Nachrichtenorganisationen uns Journalisten weiterhin entsenden, um zu berichten, obwohl dies große Kosten verursacht – finanzielle und emotionale.
Wir berichten von fernen Kriegsschauplätzen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu wissen, was unsere Regierung und unsere Truppen in unserem Namen tun. Wir versuchen, die Wahrheit der Macht zu enthüllen. Wir schicken die erste Rohfassung von Geschichtsschreibung nach Hause. Wir können etwas bewirken, indem wir die Schrecken des Krieges darstellen und besonders von den Gräueltaten berichten, die die Zivilbevölkerung erleidet.
Kriegsberichterstattung ist immer noch wie früher. Wir können keine Informationen kriegen, wenn wir nicht dorthin gehen, wo Leute erschossen werden und andere auf dich schießen. Die eigentliche Schwierigkeit ist, darauf zu vertrauen, dass es genügend Leute in der Regierung, im Militär oder in der einfachen Bevölkerung gibt, denen es etwas bedeutet, wenn dein Bericht die Zeitung, die Internetseite oder den Fernsehbildschirm erreicht.
Wir haben dieses Vertrauen, denn wir denken, dass wir etwas bewirken können.
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