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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2012

Argentinien holt sich seine Erdölgesellschaft zurück
von Guillermo Almeyra

Die Ankündigung der argentinischen Regierung, die argentinische Tochtergesellschaft YPF des spanischen Erdölkonzerns Repsol wieder in staatliches Eigentum zu überführen, hat bei der spanischen Regierung und in den Gremien der EU lauten Protest hervorgerufen.Zunächst die Tatsachen: Repsol ist kein spanischer Konzern, sondern ein Ölmulti mit spanischen Minderheitsanteilen, die Mehrheitsanteile (über 51% der Aktien) gehören Kapitalisten anderer Länder. Darüber hinaus ist Repsol so wenig spanisch, dass die Gesellschaft in Spanien Steuern hinterzieht und in Steuerparadiesen registriert ist. Das Gekläffe der Madrider Regierung (und der EU) und die Reaktionen aller Kapitalisten, zeigt jedoch, dass sich die Regierungen mit den Monopolen und dem Finanzkapital identifizieren und gesetzliche Maßnahmen, die sie als «chavistisch» betrachten, nicht tolerieren wollen.

Tatsächlich erzielen alle Unternehmen (ob Dienstleistungen oder Banken) mit spanischer Kapitalmehrheit aus ihren argentinischen Tochtergesellschaften höhere Profite als aus ihren iberischen Mutterhäusern. Sie tun dies, weil sie das Land ausplündern, ohne dort zu investieren, seit Jahrzehnten werden die Anlagen nicht erneuert – seit der peronistische Ministerpräsident Carlos Menem alle Unternehmen nationalen Interesses für einen Spottpreis verkaufte.

Argentinien hat sich schon die Fluggesellschaft Aerolineas Argentinas zurückgeholt, die Iberia und die Gruppe Marsans gegen die Wand gefahren haben. Jetzt fordert das Land auch von den Telekom- und Elektrizitätsunternehmen einen effizienten Service, diese weigern sich jedoch, einen solchen bereit zu stellen, weil sie ihre Profite lieber nach Spanien tragen, statt sie in Argentinien zu reinvestieren.

Die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner ist nicht von einer nationalistischen Wespe gestochen: Sie selbst hat, als sie in den 90er Jahren Senatorin war, einen Gesetzentwurf zur Privatisierung des Erdöls vorgelegt. Sie und ihr Gemahl, ein früherer Gouverneur der Erdölprovinz Santa Cruz, billigten damals die Privatisierungspolitik von Menem, den Aufkauf von YPF durch Repsol und die gefährliche Streuung der nationalen Kontrolle über das Erdöl.

Die Familie Kirchner hat sogar zugelassen, dass ein paar ihrer kapitalistischen Freunde, namentlich die Gruppe Petersen (der Familie Eskenazy), mit einem öffentlichen Kredit – d.h. ohne auch nur einen einzigen eigenen Peso einzusetzen – ein großes Aktienpaket an YPF kaufte. Und bis letztes Jahr hat sich Cristina Kirchner gut mit Repsol verstanden.

Sie hat die Bodenschätze der Anden den räuberischen US-amerikanisch-kanadischen Bergbaukonzernen geschenkt; sie hat vier multinationalen Monopolen der Sojaindustrie erlaubt, Boden und Wasser zu verschmutzen und den Nahrungsmittelanbau damit zu gefährden; sie hat den USA eine Militärbasis im Chaco zugestanden. Eine solche Präsidentin ist kein Beispiel für fortschrittlichen Nationalismus.

Wenn sie jetzt anfängt, sich in Weiß und Himmelblau zu kleiden und sich die phrygische Mütze aufzusetzen, ob im Fall der Malwinen oder im Fall YPF, tut sie dies aus sehr konkreten Motiven. Diese liegen in den zunehmend negativen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die zerbrechliche und abhängige argentinische Wirtschaft und in der Notwendigkeit, eine Antwort auf die wachsende soziale Unruhe zu finden – im vergangenen Jahr gab es mehr Mobilisierungen und Streiks als 2001.

Wenn Kirchner YPF jetzt wieder zurückholt und daraus ein halbstaatliches Unternehmen unter staatlicher Kontrolle macht, dann deshalb, weil die Kosten für die Energieimporte so gestiegen sind, dass sie fast das gesamte argentinische Außenhandelsbilanzdefizit ausmachen.

Die Rückholung von YPF war notwendig, weil der Anstieg des privaten Konsums und des Energieverbrauchs in den letzten Jahren die Ausbeutung neuer Gas- und Ölvorkommen erforderlich macht und dafür Kapital notwendig ist. Repsol hat große Schäden hinterlassen. Argentinien hat dem Konzern nichts zu bezahlen, weder die von Repsol geforderten 10 Milliarden Dollar, noch die von der Regierung Kirchner in Aussicht gestellten 6 Mrd. Dollar.

Der Autor ist ein argentinischer Marxist und Dozent der Politischen Wissenschaften.

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