Dokumentarfilm, BRD 2011, Regie: Martin Gerner
von Rolf Euler
Das Beeindruckendste an diesem Film sind die Nahaufnahmen von Mirwais, dem zehnjährigen Jungen aus Afghanistan, der uns erzählt, warum der Krieg schlecht ist: Er kann nicht richtig zur Schule gehen, er muss Schuhe putzen, er wärmt sich die Hände am Straßengrill, riecht die gebratenen Stücke und kauft sich nichts zu essen, um das wenige Geld nach Hause zu bringen. Mirwais erklärt uns den Krieg – den man in dem Film nicht sieht, aber immer im Hintergrund spürt – nur zwei-, dreimal fahren deutsche gepanzerte Fahrzeuge durchs Bild – das ist der Krieg der anderen, und der Film zeigt afghanische junge Menschen, die die Folgen täglich zu spüren bekommen. Sie versuchen mit Mut und Geschick, ihren Alltag zu regeln. Sie machen Radio oder einen Film oder beobachten mit einer Nichtregierungsorganisation die Wahl. Die junge Frau nimmt den Tschader ab, wenn sie in das Haus geht, von wo gesendet wird. Der junge Filmemacher kauft sich ein neues auffallendes Jackett, kaum zu bezahlen. Die Wahlbeobachter rasen in atemberaubendem Tempo durch die Straßen, in Sorge vor Anschlägen, werden von Polizisten am Betreten des Wahllokals gehindert, und machen weiter. Das hat ein deutscher ehemaliger Journalist gefilmt, mitten in Kunduz, dem deutschen Militärbereich, in einem Land, das den Krieg satt hat, die Folgen trägt und in Sorge lebt, was nach dem Abzug der fremden Truppen kommt. Eine widersprüchliche Welt, die Martin Gerner mehrfach besucht hat, er filmt mit afghanischen Vertrauensleuten, kann mit zu den Menschen nach Hause oder auf ihre Arbeit gehen – ein Berichterstatter, der nicht «embedded» ist, wie die anderen ausländischen Korrespondenten. So ist ein eindringlicher Film über Menschen entstanden, die von uns nachdrücklich einen solidarischen Standpunkt, eine antikriegerische Position verlangen. Ein spannender, berührender, anspruchsvoller Dokumentarfilm. Ein Film, der auch einen Vater von zwei Söhnen zu Wort kommen lässt, die bei dem von deutschen Soldaten befohlenen Angriff auf die Benzinlaster umgekommen sind. Ein Film, der Frauen zu Wort kommen lässt, die offene Worte über ihre Lage finden und ihre Wünsche nach Freiheit und einem normalen Leben äußern, das immer wieder an Grenzen stößt. So zieht die junge Radioreporterin wie selbstverständlich den Tschador wieder über, wenn sie von ihrem Bruder abends im Auto abgeholt wird. Und Mirwais sagt uns: «Wenn der Krieg nicht wäre, könnte ich ausgebildet werden und meine Familie ein besseres Leben führen.» Martin Gerner ist es gelungen, dem deutschen Zuschauer mit seinem Film diejenigen zu zeigen, die ansonsten als «Kollateralschaden» in den Meldungen auftauchen. Hier erhalten sie Bild und Stimme. Und sie ermöglichen uns genau hinzusehen und nicht den Sekundenhäppchen der Nachrichten zu trauen. Ein preiswürdiger Film, vorab gezeigt beim Kirchlichen Filmfestival in Recklinghausen, nun an ausgewählten Terminen zu sehen. Man wünscht dem Regisseur und seinem Film vor allem auch, dass er im hermetischen Soldatenlager Kunduz zu sehen ist – und in den Ausbildungszentren der Bundeswehr, die für Auslandseinsätze vorbereiten. Infos: www.generation-kunduz.de.
Hier wird der Film gezeigt:
Oxfam und Medico International sind Partner der Kino-Tournee
Hamburg, 5.–6.4.: 19 Uhr; 10.04.: 17 Uhr, jeweils im Metropolis. Kleine Theaterstrasse 10
München, 8.4.–14.4.: 20.30 Uhr, Werkstattkino
Nürnberg. 9.4. –11.4.: 19 Uhr, Filmhaus
Bamberg, 10.4.: 18.45 Uhr, Lichtspiel Kino
Augsburg, 11.4.: 20.30 Uhr, Mephisto / Thalia
Tübingen, 12.4.–14.4.: 20 Uhr, Arsenal Kino
Dresden, 12.4.–15.4.: 20 Uhr und 16.4.–18.4.: 17.30 Uhr, jeweils im Casablanca
Duisburg, 16.4.: 19 Uhr, Filmforum
Münster, 18.4.: 19 Uhr, Cinema Die Linse
Kirchlengern, 19.4.: 20 Uhr, Kino Lichtblick
Schwäbisch-Hall, 20.4.: 20 Uhr und 22.4.: 18 Uhr, jeweils Kino im Schafstall
Bochum, 23.4.: 19.30 Uhr, Endstation Kino Langendreer
Würzburg, 24.–25.4.: 18.30 Uhr, Programmkino Central
Bochum, 25.4.: 19.30 Uhr, Ruhr Universität
Gera, 27.4.: 20 Uhr, Filmclub Comma
Heidelberg, 26.4.: 19 Uhr und 29.4.: 17 Uhr jeweils Kino am Karlstor
Hannover, 4.5.: 18 Uhr, Kino im Künstlerhaus
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