Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2012

Ausblick auf die Occupy-Bewegung in den USA
von Angela Huemer

Mitte März wurde vielerorts des sechsmonatigen Bestehens der Occupy-Bewegung gedacht, die am 17.September mit der Besetzung des Zuccotti-Parks in New York City begonnen hatte und sich dann rasch wie ein Lauffeuer über die ganze USA und weltweit verbreitete. Der Protest der «99%» manifestierte sich zunächst in Zeltdörfern, in denen ein dichtes Programm an Generalversammlungen und Diskussionen ablief. Im Laufe der Zeit wurden mehr und mehr dieser Camps aufgegeben bzw. von der Polizei geräumt. Doch die Bewegung existiert weiter und hofft auf ein Frühlingserwachen.

Nachstehend einige Beispiele, basierend auf Informationen US-amerikanischer Medien wie National Public Radio und vor allem die Zeitschrift The Nation, auf deren Internetseite Allison Kilkenny in einem regelmäßigem Blog vom Geschehen berichtet. Eine Gerichtsentscheidung des amerikanischen Federal Court befand, dass es legitim ist, auf öffentlichen Gehsteigen zu übernachten, solang keine Gebäudezugänge blockiert werden. Der nun zu erwartenden Re-Occupation wurde damit der Rücken gestärkt.

Strike! May Day!

Occupy-USA am 1.Mai wieder auf den Straßen

Die offizielle Seite der Occupy-Bewegung, http://occupywallst.org/, quillt fast über vor Ankündigungen für den 1.Mai. Der 1.Mai hat ja seine Ursprünge in den USA: 1886 schoss in Chicago beim sog. Haymarket-Massaker die Polizei auf Arbeiter, nachdem ein Unbekannter eine Bombe geworfen hatte, als die Polizei dabei war, eine Demonstration aufzulösen. Aus Angst davor, dass in Zukunft stets dieses Massakers gedacht werde, wurde der Tag der Arbeit, Labor Day, in den USA auf einen Montag im September verlegt (in diesem Jahr ist es der 3.9.).

Hier seien nur einige genannt:

In San Francisco lautet der Aufruf «Occupy the Golden Gate Bridge» – in Solidarität mit den Arbeitern, die für Wartung und Unterhalt der Golden Gate Bridge zuständig sind, und um den Warentransport über die Brücke zu stoppen.

Die Schüler der New Yorker Paul-Robeson-Highschool und Occupy High School rufen zu einem «Public High School Walkout» – also zum Boykott – auf.

Ein Motto von Strike! May Day! lautet: «Outgrow the Status quo» – überwindet die aktuelle Lage. Dafür gibt es einige Aktionsvorschläge: bepflanzt einen Garten; gebt Euer Geld einer «ordentlichen» Bank; fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit oder bildet Fahrgemeinschaften; tauscht oder verschenkt Dinge; organisiert einen Filmabend...

Vor allem aber soll es in Solidarität mit den Einwanderern einen Generalstreik geben – eine ähnliche Aktion gab es bereits 2006. Auf der Webseite von Occupy gibt es zahlreiche Hinweise darauf, was es in dieser Hinsicht bereits gibt und wie man sich beteiligen kann.

Eine fröhliche Aktion verspricht «Join the Occupy Guitarmy!» zu werden: 1000 Musiker wollen sich im Bryant Park bei der Gertrude-Stein-Statue zu einem May-Day-Music-March treffen.

Ein Detail am Rande: Anfang März vermeldete das National Public Radio, dass sich eine Unternehmergruppe gebildet habe, die die Occupy-Bewegung finanziell unterstützen will. Innerhalb der Bewegung rief dies Unruhe hervor, weil die Aktivisten nicht genau wissen, welche Auswirkungen die Annahme solcher Gelder haben könnten. Unter den Unternehmern, die bereits 300.000 Dollar gesammelt haben und insgesamt 1,5 Mio. Dollar spenden wollen, sind die Mitbegründer der Eiscreme-Firma Ben & Jerry’s, Ben Cohen und Jeff Greenfield.

Gefragt, ob er die Botschaft der Bewegung denn für kohärent hält, meinte Cohen, sie sei sehr vielfältig, aber die wichtigste Botschaft, die sie rüberbringe, sei die, dass sie eine Gesellschaft anstrebt, die für die 99% funktioniert und nicht eine, die lediglich für  Großkonzerne und Reiche gut ist. Diese finanzielle Unterstützung durch die Unternehmer sei lediglich eine Finanzierungsquelle, keiner müsse sie annehmen, der sie nicht will.

Steuerprotest

Am 17.April gingen in New York Hunderte auf die Straße, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, dass die «1 Prozent» und einige der größten Konzerne in den USA endlich ihren Anteil an Steuern zahlen – auf nationaler Ebene wie auch in den einzelnen Bundesstaaten.

Organisiert wurde der Protest von einer breiten Koalition progressiver Gruppen, darunter die New York Community for Change, Working Families Party und Students for Occupy Wall Street. Die Protestierenden versammelten sich im Bryant Park, bevor sie in Richtung James Farley Postamt loszogen. Die Demonstration wurde symbolisch von «loopholes und dodgers» (Schlupflöchern und Drückebergern) angeführt, zu Ehren der vielen großen Firmen, die wenig oder fast gar keine Steuern zahlen. Die New Yorker Polizei rechnete mit Andrang, das Postamt war abgeriegelt – trotzdem gelang es einigen «Schlupflöchern und Drückebergern» vor das Gebäude zu gelangen und Fotos zu machen.

Die politische Rechte will weismachen, die USA hätten mit 35% einen der höchsten Unternehmensteuersätze, doch unterschlägt sie dabei geflissentlich die vielen Abschreibungsmöglichkeiten.

Zwei Beispiele: Der fünftgrößte Konzern der USA, die Bank of America, hat rund 2,2 Billionen an Vermögenswerten und zahlt trotzdem weniger Steuern als ein amerikanischer Durchschnittshaushalt. 2009 erhielten sie sogar 2,3 Mrd. Dollar von der Regierung, während ihr Profit 4,4 Mrd. Dollar betrug. Verizon, die Telefonfirma, machte 2010 12 Mrd. Dollar Profit, zahlte aber 0 Dollar Steuern – gab jedoch 34 Mio. Dollar für Lobby-Maßnahmen aus.

Eben dieses ungerechte System, in dem extrem reiche Personen und Unternehmen die Früchte des US-amerikanischen Steuersystems ernten können, während arme Leute Opfer bringen müssen, hat Hunderte dazu motiviert zu demonstrieren.

Wenn man alle föderalen Steuern berücksichtigt, fand das unparteische Congressional Research Service heraus – Einkommensteuern, Steuern für Einnahmen aus Investitionen und Firmenprofite – ergibt sich, dass einige Haushalte, die mehr als 1 Mio. Dollar pro Jahr verdienen, im Jahr 2006 lediglich 24% ihres Einkommens an Steuern zahlten – deutlich weniger als eine normale Familie der sog. Middleclass.

New York: Vorbereitungen für Re-Occupation

Eindrücke eines Vorbereitungstreffens für den «aktiven» Frühling der Occupy-Bewegung in New York City – wo alles begann:

In den langen Wintermonaten haben die Occupy-Aktivisten den Medienvertretern, die sich immer noch mit der Bewegung beschäftigten, stets versichert, der Frühling werde Occupy Wall Street ein Wiedererwachens bringen. Wenn das Vorbereitungstreffen im Central Park als zuverlässiger Vorbote genommen werden kann, dann könnten die Hoffnungen der Aktivisten wohl eintreffen. Hunderte von ihnen trafen sich Mitte April in New Yorks berühmtesten Park und erregten damit die Aufmerksamkeit der vielen Touristen, die dort vorbei spazieren.

Scott, einer der OWS-Aktivisten meinte, es gehe darum, «an einem Ort zusammenzutreffen, wo wir weniger provokativ wirken als downtown (im Finanzzentrum) und auch die Leute einbinden können, die am Samstag in den Park gehen». Das bedeute aber nicht, dass Occupy nicht mehr provokativ sei. Scott verweist auf die sog. «sleepful protests» im Finanzzentrum.

Das Vorbereitungstreffen diente der Planung der künftigen Aktionen und bot Gelegenheit, «Organisationen, Aktivisten und andere miteinander zu vernetzen, um eine flexible, stadtweite Massenbewegung zu schaffen». Am Rande einer Wiese wurde eine Schultafel aufgestellt und die genaue Tagesordnung darauf vermerkt. Es gab verschiedene Themengruppen, unter anderem eine über die weitere Entwicklung der Krankenversicherung.

Am Abend fand eine «People’s Assembly» statt – man benutzte diesen Begriff und nicht den Begriff «General Assembly», weil es keine Abstimmungen gab. Dort wurden die geplanten Aktionen angekündigt, vor allem Blockaden von Versteigerungen zwangsgeräumter Häuser oder Wohnungen. Ein anderes Thema war der US-weite «Generalstreik» am 1.Mai.

Quelle: www.thenation.com/blogs/allison-kilkenny

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