von Angela Klein
Nicht nur Erdöl, auch Erdgas wird zunehmend in schwer zugänglichen Regionen gesucht, wo es unter hohem Aufwand und großen Risiken für die Umwelt gefördert werden soll. Bei den steigenden Preisen lohnt sich die Suche auch in Europa.«Rund ein Viertel des deutschen Energiebedarfs wird derzeit mit Erdgas gedeckt. Zur Erreichung der Klimaschutzziele wird Erdgas künftig noch an Bedeutung gewinnen. Die Energiewende ist ohne Erdgas nicht zu verwirklichen, denn Erdgas ist der fossile Energieträger mit dem geringsten CO2-Ausstoß bei der Verbrennung, rund 60% geringer als Kohle. Es ist zudem flexibel einsetzbar und lässt sich gut speichern. Heimische Produktion spart CO2-intensive Transportwege und hilft, Importabhängigkeiten zu vermeiden. Zudem profitieren die Bundesländer über Förderabgabeinnahmen von jährlich bis zu 1 Mrd. Euro und die Kommunen über Gewerbesteuereinnahmen.»
Mit diesen einnehmenden Worten wirbt die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG), Deutschlands größter Erdgasförderer, für einen völlig neuen Geschäftszweig: die Gewinnung von Erdgas aus Schiefer, Ton, Sandstein oder Kohleflöze. Diese Gewinnung von sog. «unkonventionellem Erdgas» ist mit hohen Risiken für Natur und Mensch verbunden.
Unkonventionelles Erdgas findet sich in Deutschland in Niedersachsen, am Nordrand des Ruhrgebiets, im Rheinland, im Rheintalgraben und in den Sandsteinschichten Süddeutschlands – einen genauen Überblick will sich die Deutsche Rohstoffagentur bis Mitte 2015 verschafft haben.
Die Claims sind schon abgesteckt
Angefangen hat diese Art, Erdgas zu fördern, 1990. Damals wurde östlich von Bremen (Söhlingen) sog. Tight Gas entdeckt, Erdgas, das in 4000–5000 Meter Tiefe in undurchlässigen, nichtporösen Sand- oder Kalksteinformationen eingeschlossen ist. Südlich von Oldenburg stieß man etwa zeitgleich unterhalb einer breiten Tonschicht auf ein großes Erdgasfeld. In Söhlingen wird seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre Erdgas gefördert, bei Oldenburg seit 2005. Die Förderung aus so großen Tiefen erfordert spezielle Verfahren, «Fracking» genannt. Sie sind riskant und wegen der eingesetzten Chemikalien stark umweltbelastend.
Von 2005 an vergab die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf Förderfelder, auf denen die Konzerne Erkundungsbohrungen vornehmen können – insgesamt 20 Felder mit einer Größe von zusammengenommen 18.000 km2, die halbe Fläche von NRW. Exxon Mobile hat seit 2010 fünf Erkundungsbohrungen in Niedersachsen und eine in NRW vorgenommen – alle sechs in Schiefergestein. Die rot-grüne Landesregierung hat die Vorhaben bei ihrem Amtsantritt in 2010 erst einmal gestoppt und eine Studie über die Gefahren des Frackings in Auftrag gegeben – solange werde «in NRW nicht gefrackt». Ein Moratorium gibt es nicht, aber «die Landesregierung hat mit Exxon vereinbart, bis zur Vorlage einheitlicher Beurteilungskriterien alle Anträge auf eine Explorationsbohrung mittels Fracking ruhen zu lassen».
Niedersachsen will sich auf Stellungnahmen der US-amerikanischen Umweltschutzagentur verlassen, die hat jedoch ebenfalls erst einmal eine Studie in Auftrag gegeben. Zu den Unternehmen, die auf den Förderfeldern Claims abgesteckt haben, gehören Exxon, Wintershall, die australische Queensland Gas Company sowie die Stadtwerke Hamm.
Deutschland ist eines der wenigen Länder in Europa, wo bereits Explorationsprojekte im Gange sind.
Warum ist Fracking gefährlich?
Bei unkonventionellem Erdgas wird nicht nur ein Bohrloch vertikal in die Erde geführt. Vielmehr schließen sich auf unterschiedlicher Höhe horizontale Bohrungen an, die oftmals über mehrere Kilometer führen. Um das Gas aus dem Gestein zu gewinnen, werden unter hohem Druck (1000 bar) Millionen Liter Wasser in die Bohrung gepresst, das mit Sand und Chemikalien versetzt ist, um das Gestein aufzubrechen und das Gas freizusetzen. Dieses Druckverfahren wird als Fracking (Aufbrechen) bezeichnet. Pro Bohrloch werden mehrere Fracks durchgeführt.
Was Bürgern und Umweltschützern vor allem Sorge macht, ist der Chemiecocktail, der beim Fracking zum Einsatz kommt, «und zwar tonnenweise», wie Dirk Jansen vom Bund Natur und Umweltschutz (BUND) sagt. Typische Bestandteile der Mischung sind Glykole, Benzol, Naphthalin und Polyacrylamid.
Exxon gibt selbst zu, dass darunter krebserregende Kohlenwasserstoffe wie Benzol oder Tuluol, aber auch Säuren und Pflanzengifte sind, die etwa verhindern sollen, dass unerwünschte Bakterien aufgesprengte Risse wieder verstopfen. Durch undichte Leitungen kann es dazu kommen, dass Boden und Grundwasser verunreinigt werden und große Mengen Methan in die Atmosphäre gelangen oder mit der Luft ein explosives Gemisch bilden.
Die Mengen sind gewaltig: Bei der Bohrung Z12 wurden nach Angaben von Exxon 1.178.000 Liter Wasser, 132.400 Kilogramm Stützmittel (Sande vor allem) und 197.283 Kilogramm Chemikalien verwendet. In Söhlingen machen die Chemikalien 15% am Gesamtgemisch aus, das ins Gestein gepresst wird.
Bei der Gasförderung fallen zudem große Mengen von Brauchwasser, Abwasser und Bohrschlämmen an, die mit radioaktiven Isotopen, Schwermetallen und Salzen belastet sind. Sie müssen über weite Strecken transportiert und entsorgt werden.
Bürger und Umweltverbände befürchten eine Vergiftung von Grund- und Trinkwasser, Luftverschmutzung, die ungeklärte Entsorgung von Abfällen, Erdbeben und Bergschäden sowie eine zunehmende Industrialisierung von Landschaften.
Fracking kann Erdbeben hervorrufen. Der Direktor des Geologischen Dienstes in NRW hält Erdstöße der Stärke eins bis drei für möglich. Dies deckt sich auch mit Berichten aus verschiedenen US-Bundesstaaten über eine deutliche Zunahme kleinerer Erdbeben (1–3 auf der Richterskala) in den Gasförderregionen. Ein Erdbeben, das sich 2004 in Niedersachsen in der Region um Lünne ereignete, wird von Anwohnern auf die Gasförderung zurückgeführt.
Die Förderung von Schiefergas weist zudem eine ähnlich schlechte Klimabilanz wie Steinkohle auf, wie die Zeitschrift Nature feststellte. Bei der Förderung würden relativ große Mengen an Methan entweichen, das ein viel aggressiveres Klimagas ist als Kohlendioxid.
Doch die Gasförderung treffen auf Widerstand. In NRW gibt es bereits zehn Bürgerinitiativen gegen Fracking, in Niedersachsen fast ebenso viele, aber es gibt sie auch in Bayern, Österreich und Baden.
Zum Thema gibt es einen US-amerikanischen Film, Gasland, der über die negativen Auswirkungen der Bohrungen auf die Umwelt berichtet.
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