Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2012
Wir tragen zusammen: Auszüge aus der Ver.di-Erklärung, aus der Pressmitteilung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, aus Handelsblatt online, aus einer Erklärung der Ver.di-Betriebsgruppe Werkstatt Bremen.

Ver.di-Erklärung

Viel Licht, aber auch Schatten…

Positiv: Mehr Geld. Reallohnverlust gestoppt

In der Entgeltfrage haben wir den Arbeitgebern auf die Sprünge geholfen:

–Ihr ursprüngliches Angebot: Null in der ersten Verhandlungsrunde, dann durchschnittlich 1,77%, getarnt als 3,3% für 24 Monate.

–Tarifergebnis: Erhöhung der Entgelte in drei Stufen: 3,5% rückwirkend ab März 2012, weitere 1,4% ab Januar 2013 und noch mal 1,4% ab 1.August 2013 bei einer Laufzeit von 24 Monaten…

–Die Ausbildungsvergütung wird ab März 2012 um 50 Euro und zum August 2013 um weitere 40 Euro angehoben.

Negativ: Stures Arbeitgeber-Nein zum Mindestbetrag

In den Verhandlungen haben wir den Arbeitgebern vorgerechnet, dass Inflation und Kürzung von Sozialausgaben in erster Linie die Kollegen mit geringerem Einkommen treffen.

–In dieser Tarifrunde ist es uns nicht gelungen, die Wagenburg zu knacken, hinter die sich die Arbeitgeber bei der Frage des Mindestbetrags/der sozialen Komponente verrammelt haben.

–Wir werden an dieser Thematik dranbleiben und auch in den nächsten Jahren keine Ruhe geben.

Kompromiss: Neue Urlaubsregelung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Urlaubsregelung im TVöD wegen der Staffelung nach Lebensalter gekippt, aber keinesfalls 30 Tage Urlaub für alle «verfügt». Die Arbeitgeber haben diese Frage in der Tarifrunde auf die Tagesordnung gesetzt und ohne Neuregelung ein Tarifergebnis ausgeschlossen. Sie drohten sogar mit der Kündigung der Urlaubsvorschriften.

Tarifkompromiss: Besitzstandswahrung. Wer jetzt 30 Tage Urlaub hat, wird diesen Anspruch auch weiter haben. Neuregelung ab 2013: 29 Urlaubstage für alle, 30 Tage Urlaub ab dem 55.Lebensjahr und 27 Urlaubstage für Azubis. In 2012 bleiben die 30 Tage für alle erhalten.

Fazit: Verschlechterung abgewehrt, dafür Verbesserung der bisherigen Tarifregelung.

(Aus: Ver.di-Tarifinfo)

 

Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

Flächenstreik erspart

«Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen haben einen Tarifabschluss ohne weiteren Arbeitskampf erzielt … Ein von den Gewerkschaften geforderter Mindestbetrag, der insbesondere für die kommunalen Arbeitgeber schädliche Auswirkungen gehabt hätte, wurde nicht vereinbart.

Die Pluspunkte des Abschlusses sind für die Arbeitgeber die relativ lange Laufzeit, die Stückelung der Tariferhöhungen, und dass es uns gelungen ist, die Forderung nach einem Mindestbetrag abzuwehren.

Bei der linearen Steigerung gehen die kommunalen Arbeitgeber an ihre Schmerzgrenze. In der Gesamtbetrachtung ist der Abschluss aber vertretbar, auch weil wir den Bürgerinnen und Bürgern mit diesem Abschluss die Belastungen eines Flächenstreiks ersparen.» (Zitate von VKA-Präsident Thomas Böhle.)

Die Kosten der linearen Erhöhung liegen für die kommunalen Arbeitgeber im Jahr 2012 bei rund 2,2 Milliarden Euro, im Jahr 2013 bei rund 4,3 Milliarden Euro. Die Gewerkschaften hatten Gehaltssteigerungen von 6,5% und mindestens 200 Euro gefordert, was eine Kostenbelastung in Höhe von 6 Milliarden Euro allein für 12 Monate bedeutet hätte.

(Aus: Presseinfo der VKA)

Handelsblatt online

Angst vor dem Generalstreik

Tausende Passagiere sind zuletzt an den Flughäfen der Republik gestrandet, allein am Dienstag fielen mehr als 700 Flüge aus. Verzweifelte Eltern stehen vor geschlossenen Kindergärten wie in Köln, wo Mitte vergangener Woche von den 225 städtischen Einrichtungen nur gut 60 öffneten. Das sind nur einige Folgen der zweiten Warnstreikwelle im öffentlichen Dienst, an der sich seit Montag vergangener Woche rund 215.000 Beschäftigte beteiligt haben… Bsirske kündigt den Schulterschluss mit anderen Gewerkschaften an, die derzeit ebenfalls in Tarifverhandlungen stehen. Sollte die heute begonnene dritte Gesprächsrunde im öffentlichen Dienst scheitern, würden in verschiedenen Branchen «Verabredungen getroffen, gemeinsam sichtbar zu werden», sagte Bsirske Anfang der Woche.

Scheitert die Schlichtung, könnte schon Anfang Mai eine Streikwelle von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, der Metallindustrie, der Banken und der Telekom beginnen. Fast 8 Millionen Beschäftigte arbeiten in den betroffenen Branchen, Bsirskes Worte sind deshalb nicht weniger als eine Generalstreiksdrohung… Wer Bsirskes Drohung für einen Bluff hält, irrt sich.

Helga Schwitzer aus dem IG-Metall-Vorstand bestätigte, dass koordinierte Aktionen geplant werden. «Wir ziehen natürlich an einem Strang, erst recht in parallel laufenden Tarifrunden», sagte sie dem Handelsblatt. «Und wenn die Arbeitgeber hier wie dort so weiter blockieren wie bisher, werden wir auch an Kampfmaßnahmen nicht vorbei kommen.» Für das, was dann auf die Wirtschaft zukäme, waren die Warnstreikwellen im öffentlichen Dienst nur ein kleiner Vorgeschmack.

(Aus: Handelsblatt online, 28.3.12)

 

Eine Ver.di-Betriebsgruppe

Potenzial nicht ausreichend genutzt

Mit wenigen großen Warnstreiks konnte die Blockade der Arbeitgeber gebrochen und eine (wenn auch kleine) Reallohnerhöhung erreicht werden. Für Auszubildende wurde eine Übernahmeregelung erzielt, die ein Fortschritt ist. Zehntausende Mitglieder wurden durch die Warnstreiks und Aktionen aktiviert, Tausende sind neu in Ver.di eingetreten.

Dies alles zeigt, dass sich gewerkschaftliche Aktionen lohnen. Es sei ein «Tarifkompromiss mit viel Licht, aber auch Schatten», heißt es im Ver.di-Flugblatt zum Verhandlungsergebnis für die rund 2 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Tatsächlich aber haben sich die Arbeitgeber in zentralen Fragen durchgesetzt…

Ohne Not wurde eine grundlegende Forderung aufgegeben: die soziale Komponente in Höhe von 200 Euro. Die Spreizung zwischen hohen und niedrigen Einkommen geht weiter auseinander. Spätestens die Weigerung der Arbeitgeber, sich auf eine Festgeldforderung einzulassen, hätte zum Streik führen müssen…

Die Laufzeit von 24 Monaten ist für uns angesichts des bescheidenen Ergebnisses deshalb nicht akzeptabel. Die unerwartet massive Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen an den Warnstreiks und das Zurückweichen der Arbeitgeber zeigen, welches Droh-und Kampfpotenzial wir mit unserer Gewerkschaft haben. Dieses Potenzial wurde nicht ausreichend genutzt…

Streikfähigkeit gewinnt eine Gewerkschaft nicht am grünen Tisch, sondern nur durch konkrete Aktionen. Streiken lernt man nur im Streik. Solidarität lernt man nur, wenn es nötig ist. Wenn aber immer wieder die Auseinandersetzung gescheut wird, wie sollen dann Erfahrungen – zu denen sicherlich auch mal Niederlagen gehören – gesammelt werden? Wie soll da praktisch der Zusammenhalt erprobt und gestärkt werden? Dies ist keine Frage von Theorie und Gewerkschaftsseminaren, sondern eine praktische Frage.

Langfristig ist es fatal, wenn die Gewerkschaften nicht in die Auseinandersetzung gehen und auf ein Modell der Sozialpartnerschaft setzen, das die Unternehmer schon vor Jahren beerdigt haben… Ein Streik (der nicht zwingend ein unbefristeter Vollstreik hätte sein müssen) hätte uns im Organisationsaufbau massiv gestärkt. Die Kolleginnen und Kollegen fragen jetzt zu Recht: Wann sollen wir denn jemals etwas durchsetzen, wenn nicht jetzt?

Angesichts einer schwächelnden Bundesregierung mit einer sich auflösenden FDP, angesichts von Neuwahlen in mehreren Bundesländern, der Wulff-Affäre und einer öffentlichen Meinung, die selten so gut für uns war («Wenn Milliarden für die Banken da sind, dann auch für Lohnerhöhungen der Arbeitnehmer») hatten die Arbeitgeber kein Interesse an einem Streik und waren zu größeren Kompromissen bereit. Zudem laufen parallel mehrere weitere Tarifrunden anderer Branchen. Im Mai hätten wir gemeinsam mit der IG Metall eine noch größere Durchsetzungsfähigkeit gehabt. Der 1.Mai hätte zu einem ersten Höhepunkt der branchenübergreifenden Aktionen werden können.

(Aus: Erklärung der Ver.di-Betriebsgruppe Werkstatt Bremen)

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