von Angela Klein
Aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich am 22.April 2012 geht François Hollande von der sozialdemokratischen PS (Parti Socialiste) als eindeutiger Sieger hervor, während Staatspräsident Sarkozy eine doppelte Wahlniederlage eingefahren hat.
Bei einer unerwartet hohen Wahlbeteiligung von fast 80% erzielte Hollande mit 28,6% ein historisches Ergebnis, 1981 hatte François Mitterrand es nur auf 25,8% gebracht. Er hat alle Chancen, die Stichwahl am 6.Mai für sich zu entscheiden.
Sarkozy hingegen hat mit 27% der Stimmen gegenüber 2007 vier Prozentpunkte verloren, während seine Rivalin auf der äußersten Rechten, Marine Le Pen, mit knapp 18% das beste Ergebnis einfuhr, das die rechtspopulistische Partei jemals erzielt hat – 1,6 Millionen Stimmen mehr als ihr Vater, der 2002 16,8% bekam. Das Ergebnis, so wird in Frankreich nun erwartet, wird das Ende der Partei Sarkozys, der UMP, einläuten.
Sarkozy hatte versucht, im Lager Le Pens zu wildern, indem er einen ultrarechten Wahlkampf führte. Er versuchte, Marine Le Pens FN (Front National) mit ihren Themen noch zu übertrumpfen: Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengenraum, Abschottung Frankreichs gegenüber Einwanderern, Aufrüstung der Sicherheit und Verteidigung «unserer Lebensweise». Sein Wahlkampfberater Guillaume Peltier kam selbst von der äußersten Rechten.
Was 2007 funktioniert hatte, klappte diesmal nicht mehr: Viele von Sarkozys Amtsführung enttäuschte Wähler kehrten ihm nun den Rücken und zogen «das Original» vor. Sein Wahlkampfteam war politisch gespalten.
Marine Le Pen findet sich nun in der Position, einen Teil der UMP beerben zu können: «Das ist erst der Anfang», rief sie am Wahlabend triumphierend. Sie hat kein Interesse daran, dem kollabierenden UMP-Chef die Stange zu halten, und beschreibt ihre Position so: «Wir sind nun die einzige Opposition gegenüber der ultraliberalen, laschen und libertären Linken.»
Das Kräfteverhältnis zwischen dem rechten und dem linken «Lager» war für die Rechte noch nie so schlecht wie derzeit: 44% für alle linken Kandidaten zusammengenommen stehen 47% für die Rechte und die extreme Rechte gegenüber (zum Vergleich: 2002: 42,8:48,4%; 2007: 36,5:45%).
Linke mit neuer Kraft
Der PS-Kandidat konnte auch diesmal wieder von all denen profitieren, die «das kleinere Übel» gewählt haben. Auch solchen Wählerinnen und Wählern, die er politisch nicht überzeugt, sitzt noch der Schrecken von 2002 im Nacken, als Le Pen, und nicht Jospin in die Stichwahl mit Chirac kam. Umso bemerkenswerter ist der Wahlerfolg von Jean-Luc Mélenchon, dem Kandidaten der Linksfront – Linkspartei (PG), Französische Kommunistische Partei (PCF) und vier andere Organisationen. Er holte über 11% der Stimmen und hat damit die PCF als Herausforderin der PS definitiv abgelöst (2007 bekam die PCF-Kandidatin Marie-George Buffet nur noch 1,9%).
Mélenchon hat einen Wahlkampf geführt, der sich klar von der sozialliberalen Linie der PS absetzte. Sein Thema war «der Bruch» mit dem kapitalistischen System: eine konstituierende Versammlung für eine neue Verfassung und eine neue, die VI.Republik, Umverteilung des Reichtums, die Finanzmärkte an die Leine, Beschlagnahmung der Betriebe, die entlassen, um Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, Nein zum Fiskalpakt, raus aus der NATO. Seine Wahlkundgebungen waren Massenaufläufe, auch in der Provinz. Er hat sich darauf festgelegt, François Hollande keine Minister zu stellen.
Doch ist das Wahlergebnis nicht ganz so zufriedenstellend ausgefallen, wie er es gern gehabt hätte: 17% waren in den letzten Umfragen genannt worden, und er hätte Marine Le Pen gern hinter sich gelassen. Die dringendste Frage, die nun ansteht, ist die Überwindung des Zustands einer Linksfront und die Bildung einer breiten und handlungsfähigen Partei.
Ein Blick sei noch auf das Wahlverhalten in der Pariser Banlieue geworfen. In der PCF-Hochburg Saint-Denis im Norden von Paris, dort wo die Einwanderer sich ballen und die Jugendarbeitslosigkeit bei 40% liegt, kommt Hollande auf 45,8% (mehr als 2007) und Mélenchon auf 21,7%. Sarkozy stürzt mit 12,2% ab, aber Marine Le Pen kann keinen Honig daraus saugen, sie landet bei 9,9%. Dabei liegt die Wahlenthaltung hier bei 30,3%, zehn Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt.
«Wenn die Leute hier nicht wählen gehen, liegt das daran, dass sie zu viele Sorgen haben. Sie schaffen es nicht, über ihren Alltag hinaus zu schauen», zitiert die Online-Zeitung Mediapart einen Aktivisten der NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste) aus dem Stadtteil. «Zum Glück ist der Hass auf Sarkozy so groß, dass einige dann trotzdem wählen gehen.» Sein Kandidat war Poutou: «Der ist wie wir, der redet wie wir, und wenn er die Faxen dicke hat, dann sagt er es auch.» Aber viele Jugendliche neigen eher zu Mélenchon.
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