von Manfred Dietenberger
Vor kurzem hatte der kleine «Nobi» wieder mal einen großen Tag: Während der jetzt schon wieder abgeblasenen Warnstreikphase der IG Metall stand Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm schon am frühen Morgen vor den Werkstoren des Coburger Maschinenbauers Waldrich, um sich mit «seinen Kollegen von der IGM» zu solidarisieren und wortstark ihre Forderungen zu unterstützen.
Als mittelständisches, bayrisches Unternehmen gehört Waldrich Coburg im Großwerkzeugmaschinenbau zu den Weltmarktführern. Wie die Neue Presse Coburg zu berichten wusste, wetterte Blüm auf der Metaller-Demonstration aufs Derbste, besonders gegen Leiharbeitsfirmen.
Unbeeindruckt vom strömenden Regen schrie er den rund 300 Versammelten Beschäftigten durchs Mikrofon zu: «Ihr verdient es, mehr Geld in der Tasche zu haben.» Die Belegschaft des Unternehmens könne stolz auf ihre Leistung sein, versicherte er den Kolleginnen und Kollegen der Nacht- und Frühschicht, die um 6 Uhr für eine Stunde die Arbeit niederlegten.
«Doch von Stolz alleine kann man sich nichts kaufen», die Kollegen verdienten daher gerechte Löhne. Die IG Metall habe in der Vergangenheit mit ihrer maßvollen und zurückhaltenden Lohnpolitik große Verantwortung und Anstand gezeigt. Jetzt aber läge das Gebot des Anstands bei den Arbeitgebern, so Blüm. Nun sei «die Stunde der Sozialpartnerschaft» gekommen, denn Lohn sei auch Kaufkraft, und jeder «Arbeitnehmer» auch ein Konsument. Mehr Geld in der Tasche der Kollegen komme allen zugute. «Autos kaufen keine Autos», das habe schon der amerikanischen Autopionier Henry Ford eingesehen.
Besonders ungestüm ging Blüm mit den Leiharbeitsfirmen ins Gericht. Mit deutlichen Worten geißelte er sie als moderne Form der Sklavenhalterei: «Die Verleiher sind Zuhälter. Die Sau sitzt auf der Couch und lässt andere für sich arbeiten.» Leidenschaftlich ergriff der Ex-CDU-Minister auch Partei für die Übernahme der Auszubildenden am Ende ihrer Ausbildung: «Man muss den jungen Leuten Arbeit geben, denn sie brauchen Sicherheit.» Die Abkehr von dem was früher selbstverständlich war, bezeichnete er als «ein schwerer Niedergang».
Wer sich während der Lehre angestrengt habe, müsse auch die sichere Aussicht auf eine Festanstellung haben, forderte Blüm von den Unternehmen und kokettierte mit seiner Metaller-Vergangenheit: «Ich bin seit 62 Jahren IG-Metall-Mitglied und habe mehrere Ausschlussanträge überstanden.» Das Handeln der Arbeitgeber stehe im krassen Widerspruch zu dem von ihnen propagierten Fachkräftemangel.
Überraschend freimütig gestand Blüm ein, zunächst ein Anhänger der Leiharbeit gewesen zu sein, weil damit Auftragsspitzen aufgefangen werden könnten. Nun aber werde dieses Instrument schon seit Jahren zum Abbau regulärer Beschäftigungsverhältnisse missbraucht, und das fände keinesfalls seine Zustimmung, denn «das ist ein Zurück zum Tagelöhner». «In meiner Welt sind das Zuhälter, die Prostitution betreiben.»
Die Waldrich-Kollegen vergaßen für einen Augenblick Blüms damaliges Wahlversprechen, die Renten seien sicher, und dankten dem hier und jetzt wacker Auftretenden für seine deftige Rede mit viel Beifall und ohrenbetäubendem Lärm aus Trillerpfeifen und Ratschen. Immer wieder hörte man zwischendurch auch Bravo-Rufe.
Sicher hat Blüms IG-Metall-Auftritt die große Streikbereitschaft der Kollegen für mehr Lohn, die Übernahme der Azubis und mehr Mitbestimmung bei der Leiharbeit noch zusätzlich erhöht. Diese hohe Streikbereitschaft aber ließ die IG Metall ungenutzt verpuffen. Würde Blüm an seine eigenen Sprüche glauben, müsste er inzwischen sein CDU-Parteibuch hingeschmissen haben. Das aber hat er nicht getan und wird es auch nicht tun – das ist so sicher wie die Rente und das Amen in der Kirche.
Ebenso wie sein Parteifreund Heiner Geißler spielt Blüm mit gezinkten Karten. Beide führen sich als Kapitalismuskritiker auf und waren doch ihr Leben lang Lakaien des Kapitals. Zu Blüms Masche gehört, dass er sich gefragt oder ungefragt immer und überall selber gern als alten Gewerkschaftskämpen darstellt, der schon als Lehrling bei Opel in die IG Metall eintrat. Schon als Azubi habe er Streikposten gestanden, zu einer Zeit, als seinen Kritiker «noch der Popo mit Penatencreme eingeschmiert» wurde. «Bei Wind und Wetter», bekannte Blüm gegenüber Bild, habe er schon damals «für Arbeiterrechte gekämpft».
Doch bei solchen Aussagen vermischen sich Erinnerung und Fantasie auf die blühendste Weise. Blüm, der die in ihrer Wirkung verheerende Novelle des sog. Streikparagraphen 116 durchboxte, ist auch früher kein besonders heldenhafter Kämpfer für die arbeitenden Menschen gewesen. Aktiv habe Blüm sich aber immer an den 1.Mai-Feiern beteiligt, erinnerte sich Fritz Zschiesche, der bei Opel Betriebsratsvorsitzender war, als Blüm die Jugendvertretung leitete. Seine «natürliche Veranlagung» zum Komödiantischen habe sehr geholfen, das «Beiprogramm erfolgreich zu gestalten».
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