Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2012

von Giorgios Mitralias

Schreckgespenst für die einen, Hoffnung für die anderen: Am 6.Mai hat das Wahlbündnis SYRIZA einen spektakulären Auftritt auf der politischen Bühne Europa hingelegt. Bei diesen Parlamentswahlen hat es seine Wahlergebnisse vervierfacht und ist zweitstärkste Partei geworden. Bei den Neuwahlen am 17.Juni will das Bündnis stärkste Partei werden.

Dann will es die bereits beschlossenen Sparmaßnahmen wieder aufheben und ein Schuldenmoratorium durchsetzen, im Zuge dessen ein Schuldenaudit die legitimen von den illegitimen Schulden unterscheiden und über die Schuldenlast neu verhandelt werden soll.

SYRIZA ist kein Neuling auf der europäischen Linken. Von Anfang an zeichnete sich das Bündnis jedoch durch besondere Merkmale aus:

Die Koalition der Radikalen Linken, wie SYRIZA auf deutsch heißt, setzt sich nämlich seit ihrer Gründung 2004 aus einer großen, linksreformistischen Partei eurokommunistischen Ursprungs (Synaspismos) mit parlamentarischer Vertretung und  einem Dutzend kleiner Organisationen der extremen Linken maoistischer, trotzkistischer und bewegungsorientierter Herkunft zusammen.

Die Koalition bildete damit eine Ausnahme von der bis dahin geltenden Regel, dass traditionelle Parteien links von der Sozialdemokratie sich niemals mit Organisationen der extremen Linken verbünden. Sie oszilliert ständig zwischen Linksreformismus und einem konsequenten Antikapitalismus. Doch nach acht Jahren muss man sagen: Diese Kohabitation war nicht nur möglich, sondern auch fruchtbar und hat ihren bisherigen politischen Erfolg ermöglicht – ungeachtet der zahlreichen Rückschläge und Niederlagen, die es in der Zwischenzeit gegeben hat.

Wie war dies möglich? Man könnte sagen, alles hat vor 15 Jahren begonnen, mit der Gründung des griechischen Zweigs der Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit. In Griechenland hatten die Märsche eine besondere Funktion: Sie schafften es nämlich zum ersten Mal, Gewerkschaften, soziale Bewegungen, Parteien und Organisationen der Linken (einschließlich zeitweise der KKE) in einer gemeinsamen Aktion zusammenzuführen.

Das war ein absolutes Novum, ein Versuch, das tief sitzende Sektierertum zu überwinden, das bis dato die griechische Linke ausgezeichnet hatte. Hinzu kam, dass viele Aktivisten erstmals auch ihren heimatlichen Horizont überschritten und andere europäische Bewegungen in Fleisch und Blut kennenlernten, von deren Existenz sie vorher nichts wussten.

Die Mehrzahl der Organisationen, die die Märsche getragen hatte, beteiligte sich ab 1999 auch an dem gemeinsamen Raum des Dialogs und der gemeinsamen Aktion, den das Europäische Sozialforum darstellte. Diese Phase der gemeinsamen politischen und programmatischen Debatte, getragen von den gemeinsamen Mobilisierungen nach Köln, Nizza, Florenz, Paris usw., hat die griechische Linke stark beeinflusst.

In der ersten Zeit gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen der Hauptpartei Synaspismos und den Organisationen der radikalen Linken. Als sich 2010 der sozialdemokratische Flügel von Synaspismos abspaltete [DIMAR] und auf den Vorsitzenden Alekos Alavanos der junge (aus der Jugend der KKE kommende) Alexis Tsipras folgte, erhielt SYRIZA ein klareres und linkeres Profil, das ihm ermöglichte, die Radikalisierung der Bevölkerung infolge der Schuldenkrise aufzufangen.

Die Entwicklung von SYRIZA ist damit noch nicht an ein Ende gekommen. Innerhalb weniger Wochen ist aus einer kleinen Partei im Rahmen einer randständigen Linken eine dominierende Partei geworden, die eine Regierung bilden könnte! Die Aufgaben, vor denen SYRIZA steht, sind gigantisch, und das Bündnis ist weder politisch noch organisatorisch darauf vorbereitet.

Was also ist zu tun? Die klare Antwort lautet: Man muss SYRIZA helfen. In jeder Beziehung. Und es vor allem nicht allein lassen. Die Kritik, die man berechtigt äußern mag, muss Hand in Hand gehen mit solidarischer Unterstützung. Nicht morgen, sondern jetzt. Denn der Kampf, den SYRIZA jetzt führt, ist unser aller Kampf.

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