von Helmut Born
Am 1.Juni gab der Insolvenzverwalter das Aus für die Drogeriemarktkette Schlecker bekannt. Nachdem im März schon ein grosser Teil der Filialen geschlossen worden waren, kam jetzt das Aus für die restlichen 2800 Filialen. Damit verlieren noch einmal 14.000 überwiegend weibliche Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Jetzt bleiben nur noch einige hundert «Ihr-Platz»- und «Schlecker-XL»-Filialen übrig, die an Investoren verkauft werden sollen.
Das lange Siechtum bei Schlecker ist damit fast am Ende, und es zeigt sich exemplarisch, dass mit rein marktkonformen Maßnahmen, wie sie von allen Parteien außer der Linken vertreten werden, solche sozialen Katastrophen heute kaum zu verhindern sind.
Die Beschäftigten von Schlecker stehen jetzt mit leeren Händen da. Letzten Endes trägt nicht nur die FDP mit ihrer Weigerung, für die Einrichtung einer Transfergesellschaft eine Bürgschaft zu hinterlegen, Verantwortung für diese grösste Firmenpleite im Einzelhandel. Auch SPD/Grüne und CDU hätten die Möglichkeit gehabt, so etwas ohne die FDP durchzusetzen, wenn sie gewollt hätten. Aber es war politisch nicht gewollt, wie die Kanzlerin Ende März erklärte. Dabei hätte eine Transfergesellschaft auch nur einen Aufschub vor der nackten Arbeitslosigkeit bedeutet. Weil aber Schlecker auch nach den Filialschliessungen im März nicht profitabel wurde, kam es fast zwangsläufig zu dieser Entscheidung.
Hier wäre nur mehr möglich gewesen, wenn die Belegschaft und ihre Gewerkschaft für ein anderes Unternehmensmodell gestritten hätten. Das hätte zuerst einmal bedeutet, dass das kapitalistische Eigentumsmodell in Frage hätte gestellt werden müssen. Das Schielen auf neue Investoren allein hat bei Schlecker nicht geholfen, ein insolventes Unternehmen wieder profitabel zu machen.
Eine Lösung wäre möglich gewesen, wenn es gelungen wäre, für ein Unternehmensmodell auf der Basis von Vergesellschaftung die Unterstützung der Belegschaft zu gewinnen. Dazu hätte es einer öffentlichen Beteiligung bedurft, die zu einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse hätte führen können. Das war bei der Rettung der Commerzbank möglich und wäre auch hier möglich gewesen. Mit einer geänderten Eigentümerstruktur hätten die Mitwirkungsrechte der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte ausgebaut werden können, sodass die Belegschaft an dem erforderlichen Veränderungsprozess beteiligt gewesen wäre.
Dazu gab es verschiedene Vorschläge. Michael Schlecht schlug Anfang des Jahres ein Genossenschaftsmodell vor. Von der Linken in NRW wurde eine öffentliche Beteiligung mit erweiterten Mitbestimmungsrechten und einer massiven Verkürzung der Arbeitszeit vorgeschlagen. Leider spielten solche Modelle in den Diskussionen in Ver.di und in den Belegschaften keine Rolle.
Für Ver.di ist die Pleite besonders schmerzhaft. Nicht nur ist ihr Konzept nicht aufgegangen, Investoren nicht zu verschrecken. Viel gravierender ist, dass mit Schlecker eine der gewerkschaftlich am besten organisierten Belegschaften in diesem Bereich zerschlagen wird. Das ist nicht nur ein organisatorischer Verlust. Es ist vielmehr ein politisches Versagen der Gewerkschaft. Das geht an die Substanz der Organisation.
Es wird Zeit, dass sich Gewerkschaften Gedanken über Alternativen zum alltäglichen kapitalistischen Wahnsinn machen.
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