von Birger Scholz
«Die Kapitalmärkte sind für spanische Banken geschlossen», heißt es in einer aktuellen Studie der Ratingagentur Moody’s. Schon jetzt refinanzieren sich die meisten spanischen Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB), indem sie forderungsbesicherte Anleihen hinterlegen. Doch auch dieser Weg gestaltet sich immer schwieriger, weil den Banken langsam, aber unerbittlich, die Hypotheken ausgehen, mit denen sie die Anleihen besichern. Der Grund: Die Erholung des Immobilienmarkts bleibt aus.
Mittlerweile sind knapp 9% der Kredite der spanischen Banken notleidend. Dies entspricht einem Volumen von über 150 Milliarden Euro. Kurzum: Das spanische Bankensystem ist insolvent. Aber damit ist das deutsche Finanzsystem ebenfalls insolvent. Auf über 34 Mrd. Euro beziffert die Bundesbank die Nettoforderungen deutscher Banken gegenüber spanischen Geldhäusern, Ende 2007 waren es noch 90 Mrd. Euro gewesen. Werden spanische Staatsanleihen, Kredite an Unternehmen und Privatkunden und für Gewerbeimmobilien eingerechnet, summieren sich die Forderungen auf 105 Mrd. Euro. Das EU-Rettungspaket für die spanischen Banken ist damit in gleichem Maße auch eines für den deutschen Finanzsektor. Das kennen wir bereits aus Griechenland. So weit, so schlecht.
Nach aktuellen Berechnungen der Beratungsunternehmen Oliver Wyman und Roland Berger benötigen die spanischen Banken bis zu 62 Milliarden Euro. Da das Geld aber über die spanische Regierung an die Banken verteilt wird, erhöht sich die Staatsverschuldung in gleichem Maße. Das wiederum nehmen die Märkte zum Anlass, die Risikoprämien für spanische Anleihen zu erhöhen. Für einjährige Bonds verlangen Investoren mittlerweile über 5% Zinsen, gegenüber deutschen Bundesanleihen beträgt der Risikoaufschlag fast 4,7 Prozentpunkte. Für zehnjährige Anleihen verlangen Investoren mittlerweile über 7%. Ökonomen bezeichnen ein solches Zinsniveau als «Todeszone».
Damit ist das Rettungspaket die konsequente Fortsetzung der bisherigen Politik. Private Verluste des insolventen Finanzsektors werden in Staatsschulden transformiert und letztlich über die von Deutschland geforderten Austeritätsmaßnahmen sozialisiert.
Es lässt sich durchaus argumentieren, dass die Umschuldung von Griechenland die Büchse der Pandora geöffnet habe. Seitdem ist der Zahlungsausfall eines Euro-Staats kein Tabu mehr. Wenn es Griechenland trifft, dann kann es auch Spanien, Portugal und selbstverständlich auch Italien treffen. Die Märkte verhalten sich innerhalb einer Gesamtirrationalität durchaus rational.
Vielleicht hätten Eurobonds am Anfang der Krise die Märkte beruhigt; Merkel hat sie verhindert. Mittlerweile dürfte es hierfür zu spät sein. Vielmehr könnten Eurobonds die Krise sogar noch verschärfen, wenn ihre Einführung die Kreditwürdigkeit der Euro-Kernzone in Frage stellt.
Da ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone mit immensen Kosten und realwirtschaftlichen Verwerfungen verbunden wäre, wage ich die Prognose, dass letztlich die Staatsfinanzierung von den Märkten abgekoppelt werden wird. Die EZB wird dann entweder umlaufende Anleihen in solch einem Maße aufkaufen, dass die Zinsen auf ein Vorkrisenniveau sinken, oder es wird der Vorschlag der LINKEN umgesetzt – in welch technischer Form auch immer – und die Staaten finanzieren sich direkt, oder vermittelt über eine öffentliche Bank, bei der EZB.
Dass diese «monetäre Staatsfinanzierung» in den EU-Verträgen explizit ausgeschlossen ist, wird im Falle eines Falles niemand kümmern. Die bisherigen, ebenfalls «illegalen», Programme der EZB zum Anleihekauf wurden als «geldpolitische» Maßnahme oder Maßnahme zur «Sicherung der Finanzmarktstabilität» deklariert.
Keine Frage: Auch hier gibt es Fallstricke. Völlig offen ist, nach welchen Kriterien und zu welchen Konditionen den Staaten EZB-Kredite zugeteilt werden sollten. Denn natürlich würde unbegrenzter Kredit zu massiver Inflation führen. Der Linksfraktion ist nicht vorzuwerfen, hier keine fertigen Konzepte vorzulegen. Doch sollte sie solche Expertisen einfordern und die Probleme, die mit ihrem richtigen Vorschlag einhergehen, thematisieren.
Die EU macht stattdessen seit 2008 das Gegenteil. Der insolvente Bankensektor wird behandelt, als wäre er ein Staat, der nicht bankrott gehen dürfe. In die Banken pumpt die EZB unbegrenzt Liquidität. Ein Teil des öffentlichen Kredits wird dann zu Wucherzinsen an Spanien oder Italien weitergereicht. Ökonomisch ist das grober Unfug.
Aber politisch halten die Eliten die Alternative – das wäre die Verstaatlichung des Bankensektors – für noch gefährlicher. Ein Kapitalismus ohne private Banken wäre nicht mehr derselbe. Offenkundig soll der insolvente Bankensektor deshalb mit aller Macht und ohne Rücksicht auf die Kosten am Leben erhalten werden. Neben Zombie-Banken ist eine Verschärfung der Staatsfinanzkrise die Folge. Aber weder Spanien noch Italien werden auf Dauer Wucherzinsen der Märkte hinnehmen.
Mit der Forderung des italienischen Premiers Mario Monti nach Ausweitung der Staatsanleihekäufe hat sich der seit 2008 schwelende Machtkampf um die EZB massiv verschärft. Die erste entscheidende Schlacht hatte Deutschland mit dem Rücktritt des EZB-Chefvolkswirts Stark im September 2009 bereits verloren. Der Endkampf um den Euro ist der Kampf um die monetäre Staatsfinanzierung, und ich bin verhalten optimistisch, dass Deutschland diesen Kampf verlieren wird. Aber dafür den Euro behalten darf und einer massiven Aufwertung entgeht.
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