Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2012
von Peter Fisch

Vor 20 Jahren, am 6.Mai 1992, starb Marlene Dietrich, dereinst die betörende Hollywood-Diva, die mit dem Film "Der blaue Engel" ihre Karriere begonnen hatte und nach dem Krieg, bis zu ihrem Tod, in Paris lebte.

Sie war mehr als ein Weltstar. Zunächst unpolitisch, wurde sie dann zur strikten und unbestechlichen Hitlergegnerin, nicht nur ihrer Überzeugung nach, sondern auch im Handeln. Gefragt, warum sie Antifaschistin geworden war, antwortete sie kurz, aber eindeutig: «Aus Anstandsgefühl.» Großzügigste Angebote aus Berlin (1936) lehnte Marlene Dietrich ab.

Wie mehrere zehntausend andere deutsche Emigranten, die Angehörige der Streitkräfte oder der Geheimdienste der Staaten der Antihitlerkoalition wurden, trat Marlene Dietrich freiwillig in die US-Armee ein und wurde von der United Service Organizations mit dem Dienstgrad «Captain» der Truppenbetreuung (1944) zugeteilt, von Algier über Nancy bis zum Vormarsch in Deutschland. In der Ardennenoffensive entging Marlene knapp der Gefangenschaft.

Das Motiv ihres bewussten Handelns war unverändert: aus Anstand teilzuhaben am Kampf gegen den Hitlerismus. Wie sie in den 30er Jahren Fluchthelfer und emigrierende Flüchtlinge selbstlos finanziell und moralisch unterstützt hatte, war sie nach dem Kriege wiederum bemüht, als Vertreterin des anderen, besseren, antifaschistischen Deutschlands zu handeln.

Sie trat in vielen europäischen Ländern auf, auch in der UdSSR, gefeiert und geehrt, nicht aus Ruhmsucht. In Israel sang sie – trotz Verbot – neun Lieder in deutscher Sprache. In Polen geschah Ähnliches. Bei klirrender Kälte hatte sie sich weißen Flieder besorgt und ging allein zum Denkmal der Ghettokämpfer, legte diesen, kniend, dort nieder. Während Marlene in den USA mit der höchsten Auszeichnung für Zivilisten, der «Medal of Freedom» ausgezeichnet wurde, ehrte  Frankreich sie mit dem Titel «Chevalier de la Legion d’Honneur». Die Präsidenten Pompidou und Mitterrand beförderten sie für ihre sozialen und politischen Verdienste später zum «Offizier» und zum «Commandeur» der Ehrenlegion.

Mit Beginn des Kalten Krieges wurde ihr Engagement zunehmend pazifistisch. Das Lied von Pete Seeger, «Sag mir, wo die Blumen sind», von Marlene Dietrich interpretiert, bleibt unvergessen. 1960 kehrte sie nach Deutschland und Berlin zurück. Ein nicht geringer Teil der Deutschen und der BRD-Presse hatte das Wort von der «Vaterlandsverräterin» schnell bei der Hand. Es bleibt zu befürchten, dass es noch heute kursiert.

Sie wurde auch beschimpft und gar angespuckt. Der Antifaschismus im Denken und Handeln hatte sie geprägt. Und das wird bleiben.

Als sie 1992 in Paris starb, ordnete die französische Regierung ein Staatsbegräbnis an. Der Sarg war mit der Trikolore bedeckt, nicht mit der schwarz-rot-goldenen-Fahne, geradezu folgerichtig. Ihr Wunsch war allerdings, in Berlin beerdigt zu werden, wo sie am 27.12.1901 geboren worden war.

2011 erschien von Karin Wieland eine viel beachtete Doppelbiografie mit dem Titel Dietrich & Riefenstahl im Carl Hanser Verlag.

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