Die vielen Bemühungen um die Abwahl des gewerkschaftsfeindlichen Gouverneur Scott Walker blieben umsonst: Mitte Juni wurde er mit 53,1% der Stimmen im Amt bestätigt.
Anfang des Jahres sorgten rund 900.000 Unterschriften für eine Abwahl Scott Walkers, des republikanischen Gouverneurs des US-Bundesstaats Wisconsin, für große Euphorie in der Arbeiterbewegung und bei vielen, die gegen Walkers Massnahmen, die kollektiven Verhandlungsrechte der Gewerkschaften öffentlichen Verwaltungsangestellten auszuhebeln. demonstriert hatten (siehe SoZ 12/2011 und 2/2012). Im Juni kam die Ernüchterung. Mit 1334450 Stimmen, also 53,1% der Stimmen gewann Walker gegen den demokratischen Kandidaten Tom Barrett, der 1162785 bzw. 46,3% der Stimmen bekam – er erzielte damit einem noch größeren Vorsprung als bei seiner ersten Wahl 2010.
In einer Analyse auf der Internetplattform www.tomdispatch.com/archive/175556 kritisiert Andy Kroll, die Protestbewegung habe sich, spätestens seit den Bemühungen um die Abwahl Walkers, zu sehr vom alltäglichen Politikbetrieb – in diesem Fall dem der Demokraten Wisconsins – vereinnahmen lassen. Zudem sei Tom Barrett der falsche Kandidat gewesen, das finden mit ihm viele Unterstützer der Anti-Walker-Kampagne – kein Wunder also, dass er erneut gegen Walker verlor. Die Protestierenden beklagten in Bezug auf Barrett vor allem, er habe im Bereich der Arbeiterrechte nicht viel aufzuweisen und es nicht vermocht, die Protestbewegung zu inspirieren oder zu einen.
In einem Kommentar für National Public Radio bezeichnete der Journalist des The New Republic, Jonathan Cohn, die gescheiterte Abwahl Scott Walkers als «schlechte Nachricht» für die fortschrittlichen Kräfte in den USA und diejenigen, die großen Konzernen misstrauen. Mit Hinweis auf das Buch seines Kollegen Tim Noah, «The Great Divergence», in dem dieser die wachsende Einkommensschere und deren Ursachen beschreibt, meint Cohn, es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen der schwächer werdender Arbeiterbewegung und der wachsenden Ungleichheit.
Dass die Arbeiterbewegung schwächer wird, kann man vor allem daran erkennen, dass es immer weniger Gewerkschaftsmitglieder gibt. Waren in den fünfziger Jahren noch mehr als 30% der Beschäftigten im Privatsektor in einer Gewerkschaft organisiert, so sind es jetzt nur noch um die 10%. Umgekehrt haben sich die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung erst Anfang der 60er Jahre in Gewerkschaften organisiert: 1962 gewährte Präsident Kennedy auch den sog. federal workers, also den Staatsbeamten auf Bundesebene, weitreichende Gewerkschaftsrechte. Heutzutage sind 36% der öffentlich Verwaltungsangestellten Mitglied einer Gewerkschaft. Dieser große Unterschied zwischen privatem und öffentlichem Sektor hat zur Folge, dass leichter ein Keil zwischen den beiden Sektoren getrieben werden kann: Denn die öffentliche Verwaltung wird aus den Steuergeldern der Beschäftigten im Privatsektor bezahlt.
Mehr Geld, mehr Erfolg
Einer der Gründe, der immer wieder für den Erfolg der Republikaner genannt wird, ist die Tatsache, dass Scott Walker siebeneinhalbmal so viel Geld für seine Kandidatur auftreiben konnte als sein demokratischer Rivale. Eine Karikatur der Los Angeles Times bringt es auf den Punkt: Früher gaben Milliardäre ihr Geld für Segeln oder Rennpferde aus, heutzutage tun sie das für ihre bevorzugten politischen Kandidaten. Zwei Drittel des 31 Mio. Dollar schweren Wahlkampfbudgets von Scott Walker kamen von Geldgebern außerhalb Wisconsins, wohl von Reichen, die ihre Anti-Gewerkschaftshaltung damit unterstützen wollten.
Dies ist eine Folge der sog. «Citizens United»-Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA: Demnach ist es gemäß der ersten Präambel zur amerikanischen Verfassung, in der das in den USA so wesentliche Recht auf Redefreiheit verankert ist, untersagt, dass die Regierung eine Grenze für die Gelder setzt, die Firmen und Gewerkschaften für Kampagnen ausgeben.
So wurde beispielsweise die gesamte Vorwahlkampagne des letztlich gescheiterten republikanischen Kandidaten Newt Gingrich von einem einzigen Mann finanziert, dem Casinomagnaten Sheldon Adelson. Ein amerikanischer Kritiker formulierte es so: Solange wie Wahlen dazu da sind, gekauft zu werden, nützen all egalitären Diskussionen und Bankblockaden von Occupy-Aktivisten wenig: Milliardäre wie die Brüder Koch, ihres Zeichens Ölmagnaten und Förderer der «Tea-Party», haben 200 Mio. Dollar ins Budget gestellt, damit Obama im November abgewählt wird.
Über die Katerstimmung in Wisconsin darf aber nicht vergessen werden, dass im Dezember Ohio per Volksabstimmung mit großer Mehrheit ein Gesetz ablehnte, das die Rechte der öffentlichen Verwaltungsangestellten massiv beschnitten hätte (siehe SoZ 12/2011) – Ohio gilt als einer der entscheidenden Bundesstaaten für die Präsidentschaftswahl im November.
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