Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2012
von Rolf Euler

Wenige Minuten nur sind es mit dem Fahrrad vom Südufer des Küstenkanals zur neuen Gedenkstätte für die Moor-Konzentrationslager: Eben nördlich von Esterwegen «hinterm Berg» lag die «Hölle am Waldesrand» – eines der frühesten KZs für politische Häftlinge aus den ersten Monaten des Naziterrors.

Hier, wo viele Gewerkschaftsfunktionäre, Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Nazigegner gefangengehalten wurden, war weites Moor und sonst nichts. Fünfzehn Lager gab es im Emsland – neben Esterwegen eines in Börgermoor, ein weiteres in Aschendorfermoor und an anderen Orten in dem damals einsamen und unwirtlichen Landstrich.

Auf dem früheren Lagergelände wurde im letzten Jahr die neue Gedenkstätte für die Insassen der Moorlager eingeweiht. Sie ist die Nachfolgerin des Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ) in Papenburg, das seit Mitte der 80er Jahre das Gedenken an die «Moorsoldaten» in der Region wach hielt.

Papenburg

Mehr als 20.000 Menschen starben im Laufe der zwölf Jahre, in denen die Lager bis Kriegsende mit insgesamt mehr als 200.000 Insassen gefüllt waren. Viele starben an Krankheiten, die sie sich bei der schweren und nassen Arbeit im Moor geholt hatten, an Misshandlung, Unterernährung oder wurden «auf der Flucht erschossen». Nicht nur politische Gefangene, später auch Soldaten der Wehrmacht, Kriegsgefangene oder bei Nacht und Nebel aus den besetzten Ländern Verschleppte mussten die Zwangsarbeit im Moor unter schlimmen Bedingungen verrichten.

In der BRD kam es erst spät zur Wiederbelebung des Gedenkens. Die Kommunistenverfolgung der 50er und 60er Jahre, die Schutzschirme, die ehemalige Nazis in Ämtern und Behörden über ihre Täterrolle breiteten, führten dazu, dass der Gedenkstätte bei ihrer Gründung in Papenburg zunächst reichlich Widerstand entgegengesetzt wurde. In unermüdlicher Arbeit sorgten die ehemaligen Häftlinge, ein Unterstützungsverein und die Leitung der Gedenkstätte, vor allem Marianne und Kurt Buck sowie Fietje Ausländer, in Papenburg dafür, dass das DIZ ein anerkannter Anlaufpunkt für ehemalige Verfolgte, für Schulen und andere politisch Interessierte, für Antifaschisten und für die Angehörigen der Toten wurde.

Jedes Jahr um den 8.Mai herum gab es Gedenkveranstaltungen im DIZ und auf dem Häftlingsfriedhof in der Nähe von Esterwegen. Viele deutsche ehemalige Insassen, aber auch insbesondere niederländische und polnische Ehemalige kamen, zum Teil bis ins hohe Alter. Schulklassen, Lehrer, Historiker, aber auch Touristen in Papenburg besuchten das ehemalige DIZ.

Esterwegen

Eine große Zahl Erinnerungsstücke, Zeichnungen von Häftlingen und Modelle, Fotos und Gegenstände aus dem Moor wurden nun von Papenburg nach Esterwegen verlagert, um in der neuen Gedenkstätte wieder verfügbar zu sein.

Das ehemalige Barackenlager des KZ wurde vor vielen Jahren abgeräumt, das Gelände anschließend von der Bundeswehr genutzt. Nachdem diese ihre Hallen und Plätze nicht mehr benötigte, übernahm der Landkreis Emsland das Gelände und richtete hier eine Gedenkstätte ein. Die Umgestaltung sollte ein würdiges Andenken an die Opfer der Nazis ermöglichen.

Das «alte» DIZ und deren langjährige Mitarbeiter sind nun Kooperationspartner in der neuen Gedenkstätte, die von der vom Landkreis errichteten Stiftung Gedenkstätte Esterwegen getragen wird.

Mit Stahlwänden und -toren, aber auch mit gestalteten Schotter- und Pflasterwegen und Baumgruppen für jede Häftlingsbaracke wurde versucht, die Lagertopografie und die bedrückende Atmosphäre nachzustellen. In einer ehemaligen Bundeswehrhalle gibt es nun kühl-graue Ausstellungsräume, die die Herkunft der Erinnerungsstücke verdeutlichen und den Fotos, den Geschichten einzelner Häftlinge, dem Leiden und der Erniedrigung ihren Rahmen geben.

Die allerwenigsten «Moorsoldaten», wie sich die ersten politischen Häftlinge in Börgermoor selber nannten und denen die Häftlinge Johann Esser und Wolfgang Langhoff das berühmte Lied schrieben, das von Rudi Goguel vertont wurde, leben noch, an die hundertjährig, und kommen nicht mehr ins Emsland. Früher führten einige von ihnen selber durch die Ausstellung des DIZ und über den Friedhof. Heute erinnert eine Wand voller Fotos an viele von ihnen, ihre mühselig geretteten Bilder, Figuren oder Erinnerungsstücke werden nun ohne sie die Besucher betroffen machen.

Das ehemalige Moor im Emsland und Ostfriesland ist heute touristisch erschlossen, Rad- und Wanderwege führen hindurch. Aber die Hinweise auf die Gedenkstätte Esterwegen muss man noch suchen – es ist sehr zu hoffen, dass in Zukunft auch in den anderen Fehn- und Moormuseen auf die Erinnerungsstätte der Moorsoldaten zumindest hingewiesen wird!

Alle Leserinnen und Leser sollten bei einer Reise im Emsland oder in Ostfriesland nicht versäumen, sich in der Gedenkstätte umzusehen.

Kontakt: Gedenkstätte Esterwegen, Hinterm Busch 1, 26897 Esterwegen, Tel. (05955) 988950, www.gedenkstaette-esterwegen.de.

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