von Helmut Born
Im Juli wurden die Verantwortlichen in Ver.di über einen Beschluss des Bundesvorstands informiert: Bis zur Bundestagswahl im September 2013 soll es Aktivitäten geben. Für eine Einzelgewerkschaft in der Bundesrepublik ist das durchaus beachtlich. Offensichtlich sind die Differenzen im DGB so groß, das die Ver.di-Führung «ihre» Themen ohne Abstimmung mit den anderen Gewerkschaften allein oder mit Bündnispartnern beackern will.
In dem Papier stellt der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske vier Themen vor, die die gewerkschaftlichen Gremien in ihre Arbeit aufnehmen sollen:
1. Drei Länder-Wochen im November und Dezember, zusammen mit der österreichischen Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), der Wiener Arbeiterkammer und dem «Denknetz» Schweiz, dem auch die Gewerkschaft Unia angehört, stellen das Thema «Eurokrise» in den Mittelpunkt. Sie informieren über die sozialen Folgen der Sparpolitik in den «Krisenländern» und gehen der Frage nach: «Woher kommen die Schulden»? In der Woche vom 5. bis 9.November soll es betriebliche wie auch öffentliche Aktionen geben.
2. Bündnis Umfairteilen: Das Bündnis Umfairteilen ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, ATTAC, Wohlfahrtsverbänden, Jugendorganisationen, Migrantenvereinen und kirchlichen Verbände. Von den politischen Parteien unterstützen das Bündnis DIE LINKE und die Grünen. Ziel ist die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine einmalige Vermögensabgabe der Reichen. Zum Aktionstag am 29.9., an dem es an mehreren Orten große Demonstrationen geben soll (u.a. in Köln, Frankfurt am Main, Hamburg, Berlin) mobilisiert Ver.di massiv und ist häufig an der Gründung von örtlichen Initiativen beteiligt. Wohlfahrtsverbände wie der Paritätische oder der VAMV mobilisieren massiv zum 29.9. Es gibt zweifellos in der Bevölkerung eine Stimmung für die Umverteilung von Reichtum und die Heranziehung großer Vermögen.
3. »Gerecht geht anders». Diese Kampagne soll im Vorfeld der Bundestagswahlen auf prekäre Beschäftigung, Altersarmut, Verteilungsgerechtigkeit und Eurokrise aufmerksam machen. Zu diesen Fragen hat oder wird Ver.di Forderungen entwickeln, die in die öffentliche Debatte eingebracht werden sollen.
4. Europäischer Bürgerentscheid «Wasser ist Menschenrecht»: Der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst hat im April ein Bürgerbegehren dazu eingereicht, es wurde im Mai von der EU-Kommission registriert. Bis zum Frühjahr 2013 müssen eine Million Unterschriften gesammelt werden, Ver.di allein will 150.000 Unterschriften sammeln. Unter dem Titel «Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht» verfolgt das Begehren drei Ziele: Wasser und sanitäre Grundversorgung für alle Menschen in Europa sicher zu stellen; die Liberalisierung der Wasserwirtschaft zu verhindern; eine Verbesserung des Zugangs zu Wasser und sanitärer Grundversorgung weltweit.
Mit diesen Aktivitäten hat Ver.di bemerkenswerte politische Akzente gesetzt, beim heutigen Stand der Dinge können sie sicher nicht als Unterstützung für SPD und Grüne gewertet werden. Allerdings fehlen wichtige Forderungen, die nötig wären, um die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verändern. Weder werden die Hartz-Gesetze in Frage gestellt, noch werden zur Frage der Arbeitszeit irgendwelche Aussagen gemacht, noch gibt es irgendwelche Forderungen gegen die sich aufbauende EU-Diktatur. Was wir brauchen, ist aber eine grundsätzlich kapitalismuskritische Haltung der Gewerkschaften, die auch über den Rahmen des Systems hinaus geht. Auch bei Ver.di sind diese Ansätze so gut wie nicht erkennbar.
PS. Ver.di und Attac planen für den Mai 2013 einen großen Kongress Umfairteilen. Am 11.September wird ein Trägerkreis dafür gebildet, zu dem sich bislang u.a. die RLS, die FES, das Institut Parität, die Hans-Böckler-Stiftung, Weed, den DGB, sowie kleinere Einzelgewerkschaften gemeldet haben.
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