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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2012

von Freundinnen und Freunden aus der Zeit in der RAF

Am 23.Mai 2012 ist Christa Eckes in ihrem Wohnort Karlsruhe gestorben, 62 Jahre alt. Die Leukämie-Erkrankung konnte trotz vieler Mühen und Hoffnung nicht mehr behandelt werden.

In ihren letzten neun Monaten kamen viele, um Christa zu besuchen, gemeinsame Ausflüge zu machen, Lieblingsessen vorbei zu bringen, zu sprechen oder einfach nur da zu sein – ihre Genossinnen und Genossen aus der RAF und aus dem großen Freundeskreis, ihre Arbeitskollegen und Familie.

In diese Zeit fiel auch der Beugehaftbeschluss des OLG Stuttgart, um Aussagen von ihr zu erzwingen, schließlich die Ladung zum Haftantritt im Dezember. Für Christa war es keine Frage: egal in welcher Situation an der eigenen Sache festzuhalten. Zusammen haben wir Öffentlichkeit gegen diese direkte Bedrohung ihres Lebens organisiert – «Hände weg von Christa» – bis im Januar dann der Beschluss aufgehoben wurde.

Christa war schon in der Schule politisch aktiv. Mit anderen gründete sie die Basisgruppe LS-Schülerinnen (Schülerinnen der Luisenschule). Ein Jahr später schloss sie sich der Gruppe Internationale Marxisten (GIM) in Hamburg an und demonstrierte gegen staatliche Repression, nachdem Petra Schelm im Juli 1971 auf offener Straße erschossen worden war. Danach arbeitete sie in der Kanzlei von Rechtsanwalt Groenewold mit und machte Besuche bei Gefangenen aus der RAF.

Im Frühjahr 1973 war sie bei der Hausbesetzung in der Hamburger Ekhofstraße dabei, die zu einer der härtesten Auseinandersetzungen in der Geschichte der Häuserkämpfe wurde.

Wenige Monate darauf entschied Christa sich für die RAF und tauchte unter, bis sie und ihre Gruppe im Februar 1974 verhaftet wurden.

In den folgenden sieben Jahren Knast hat sie an sechs kollektiven Hungerstreiks teilgenommen – gegen die Isolation, für bessere Haftbedingungen und politische Handlungsräume.

Während des Hungerstreiks 1981 kam sie aus dem Knast. Wenig später ging sie zurück in die RAF, wo sie an der politischen Neuorientierung und praktischen Reorganisierung der Gruppe mitwirkte. Im Sommer 1984 wurde sie erneut verhaftet und kam, nach nochmals acht Jahren Knast, 1992 wieder frei.

Die folgende Zeit setzte sie sich weiter für die Freilassung der übrigen Gefangenen aus der RAF ein und kümmerte sich über Jahre auch praktisch um die Gefangenen und deren Angehörige.

Gleichzeitig wurde die Flüchtlingsarbeit zu einem politischen Schwerpunkt für sie. Für Christa hieß das: ganz konkret illegalisierte Flüchtlinge zu schützen, die Residenzpflicht und die unzumutbaren Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern zum öffentlichen Thema zu machen, das Bleiberecht durchzusetzen. Wichtig dabei war ihr, die Fluchtursachen, die in den kapitalistischen Zentren liegen, zu analysieren und zur Sprache zu bringen.

In dieser Zeit entstand um sie herum ein beeindruckender Freundeskreis, aus ihrem politischen Leben, aus ihrem Alltag und mit ihren Arbeitskollegen.

Christa hat selbst mal gesagt: «Wenn unsere Entscheidung für die RAF vor Jahrzehnten von etwas beseelt war, dann davon, dem Sozialen im wirklichen und umfassenden Sinn seine Bedeutung zu geben, indem wir ... Kollektivität und Solidarität ins Zentrum des eigenen Lebens und des politischen Kampfs gestellt haben.»

So war sie, solidarisch, immer wieder bemüht, kollektiv etwas auf die Beine zu stellen, und eine ihrer Stärken war, in schwierigen Phasen dranzubleiben an dem, was sie wollte. Durch Reflexion, auch selbstkritische, hat sie die Auseinandersetzung mit anderen gesucht, sich selbst verändert und über alle Phasen ihres Lebens bis zum Ende ein lebendiges Verständnis vom Kampf gelebt.

Es gibt viele, die sie vermissen, sie und ihr schmunzelndes Lächeln. Sie hat, um mit Naz?m Hikmet zu sprechen, ein unbeendetes Lied mit sich fortgetragen.

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