Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2012

Kein Kotau vor religiösem Terror!
von Ralf Michalowsky

Religiöse Fanatiker in den USA haben ein Video produziert um die muslimische, andersgläubige Welt zu provozieren. Die kausale Reaktion auf die Provokation war vorhersehbar. Nun wollen rechtsextreme Kreise das besagte Mohammed-Video öffentlich vorführen.

Und wie reagiert unser Rechtsstaat? Politiker aller Parteien fordern ein Aufführungsverbot für den umstrittenen Film und stellen sich damit auf die Seite derer, die sich beleidigt sehen und zu Mord und Totschlag aufrufen. Albern, denn die 15minütige Zusammenfassung des Videos hat auf Youtube bereits fast 300000 Aufrufe.

Wie weit will man bei den religiösen Fanatikern eigentlich noch «zu Kreuze» kriechen? Das Recht auf freie Meinungsäußerung darf nicht eingeschränkt werden, weil einige Spinner anderen Spinnern den Stachel reingejagt haben.

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft und je besser unser Bildungssystem wird, desto weniger Menschen haben noch Verständnis für religiöse Ideen. Hätte die Aufklärung nicht den Mut hervorgebracht, religiöse Gefühle zu verletzen, würden in Europa die Scheiterhaufen noch heute brennen!

Ein richtiger und konsequenter Schritt wäre jetzt die Einleitung eines Prozesses der wirklichen Säkularisierung in Europa und anderswo. Es kann doch nicht sein, dass überall auf der Welt Menschen um ihr Leben fürchten müssen, weil sie sich nicht religiös sozialisieren lassen wollen.

Der Religionskritiker Schmidt-Salomon sagt, er persönlich könne mit Religionen, deren Inhalte mit den Naturgesetzen in Einklang zu bringen sind und die Anders- oder Nichtgläubige nicht diskriminieren, gut leben.

Dieser Einstellung sollten sich alle aufgeklärten Menschen anschließen, auch die LINKEN.

Ralf Michalowsky ist Sprecher der LAG Laizismus in der Linken.NRW

 

 

Volksverhetzung per «Religionskritik»
von Peter Trinogga

Wer glaubt, im Falle des antimuslimischen Filmmachwerks aus den USA ginge es um Religion und damit auch um die Freiheit der Religionskritik, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Im Kern geht es um zweierlei:

Da ist zum einen das Interesse der Urheber des Films, die ohnehin unter dem Damoklesschwert eines Krieges stehende Region des Nahen bzw. Mittleren Ostens weiter zu destabilisieren. Die Nutznießer einer solchen Politik liegen auf der Hand – die Vereinigten Staaten von Amerika und die rechte Regierung Israels mit ihren Kriegsplänen gegen den Iran. Der Tod des US-Botschafters in Libyen und zweier weiterer Bürger der Vereinigten Staaten bei dieser Strategie der Destabilisierung durch psychologische Kriegführung ist ein Kollateralschaden, den die Verantwortlichen billigend in Kauf genommen haben.

Anders liegt der Fall, was die Pläne bundesdeutscher Rechtsgruppierungen betrifft, besagten Film öffentlich vorzuführen. «Pro Deutschland» und dessen Vorsitzender Manfred Rouhs (der nebenbei auch ein persönliches Profilierungsinteresse innerhalb der rechten Szene hat) wollen, wie im Fall der Mohammed-Karikaturen, gewalttätige Auseinandersetzungen mit salafistischen Jugendlichen provozieren. Die durch die Medien gehenden Bilder solcher Krawalle – bärtige, exotisch gekleidete Muslime, von denen viele Migranten sind, gegen «friedliche», bieder und seriös wirkende Deutsche – sollen Wasser auf ihre rassistischen Mühlen leiten. «Pro Deutschland» will rassistischen Hass säen, im wörtlichen Sinn das Volk verhetzen.

Das ist der Grund, warum allen Bedenken wie der nötigen Freiheit der Religionskritik und Bündnispartnern, die mit Sicherheit kein(e) Linke(r) haben möchte, zum Trotz die öffentliche Aufführung des Films wegen beabsichtigter Volksverhetzung verboten werden sollte.

Der Autor ist aktiv in der antifaschistischen Bewegung in Köln und Vorsitzender der VVN-BdA Köln.

 

Das Geheimnis religiöser Konflikte
von Manuel Kellner

Vor Ludwig Feuerbach und Karl Marx hatte die Aufklärung die verschiedenen Spielarten der religiösen Befangenheit gleichsam «von außen» kritisiert. Sie hatte behauptet, die religiösen Dogmen träfen nicht zu und seien vielmehr absurd. Das hilft nicht viel, denn «das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend» (Karl Marx: Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW1:378).

Aberglauben und religiöser Fanatismus kommen im Sinne der bürgerlichen Aufklärung von den Machenschaften einer betrügerischen und selbstsüchtigen Priesterkaste. In Wirklichkeit ist Religion aber «die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.» (Ebd.)

Die überwältigende Mehrheit der Muslime verurteilt Mord und Totschlag als Antwort auf Mohammed-Karikaturen oder einen beleidigenden Film gegen Mohammed. Der Islam ist stolz auf seinen konsequenten Monotheismus. Mohammed gilt als Prophet Gottes, war aber doch ein Mensch. Es ist Blasphemie, eine Verunglimpfung Mohammeds als Blasphemie zu behandeln! Blasphemische Selbstüberhebung, andere Menschen im angeblichen Auftrag Gottes umzubringen!

Der religiöse Widerschein der verkehrten Welt ist nicht die Welt selbst. Das wirkliche Elend und die enttäuschten Hoffnungen auf diesseitige Befreiung liefern den Nährboden für religiösen Fanatismus, aber ebenso viele Gründe für die Revolte gegen die bestehenden Weltverhältnisse.

Eine Handvoll der reichsten kapitalistischen Industriestaaten beherrscht diese Welt. Dieses System raubt der Mehrheit der Weltbevölkerung die Aussicht auf lebenswerte Perspektiven. Das Übermenschliche und Außerweltliche verschwindet aus den Köpfen erst mit der Selbstbefreiung aus diesen unmenschlichen Verhältnissen.

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