Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2012
von Klaus Engert

Kann man eigentlich jemandem vertrauen, von dem man weiß, dass es ihm umso besser geht, je schlechter es einem selbst geht? Im vormodernen China wurde diese Frage mit Nein beantwortet, folgerichtig bekamen die Ärzte dort ein Salär, wenn ihre Patienten gesund waren – sonst nicht. In Deutschland verhält es sich anders, hier beklagt der Ärztestand in regelmäßigen Abständen ihre zu geringe Vergütung, so auch in diesem Jahr.
Über Zahlen wird dabei ungern geredet und wenn, dann werden sie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) präsentiert, die von den Ärzten selbst verwaltet wird. Sie verteilt das von den gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestellte Gesamtbudget nach einem bestimmten, dem Laien nur schwer bis gar nicht verständlichen, Schlüssel auf die einzelnen Kassenärzte.
Nach diesen Zahlen beträgt das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen eines Arztes 5442 Euro, bei einem Allgemeinmediziner im Schnitt 5018 Euro, bei einem Orthopäden immerhin 6344 Euro. An der Spitze liegen mit weitem Abstand die Röntgenärzte und Labormediziner, wobei letztere im Zeitalter der Autoanalyseautomaten, die mit den gedruckten Ergebnissen gleich auch noch Warnhinweise und Diagnosevorschläge ausspucken, vorwiegend mit Geldzählen und der Aushandlung von Leasingverträgen beschäftigt sind und Patienten eher zufällig zu Gesicht bekommen.
Die Krankenkassen hatten ein Angebot unterbreitet, das Budget um ein paar hundert Millionen Euro anzuheben, die Kassenärzte forderten schlappe 3,5 Milliarden. Herausgekommen ist am Ende eine Anhebung um 1,3 Milliarden Euro.
Die KBV gibt auf ihrer Webseite nur sehr summarisch und teilweise irreführend über den Verdienst der niedergelassenen Ärzte Auskunft und vemeidet sorgfältig eine genaue Differenzierung nach Fachgruppen. Sie wirft mit Nebelkerzen, was bisher erfolgreich verhindert hat, dass der eigentliche Skandal ruchbar wurde:
Grob gesagt ist es nämlich so, dass ein Arzt desto mehr verdient, je weniger er sich mit dem Patienten selbst beschäftigt, respektive je mehr Apparatemedizin er betreibt. Am wenigsten bekommen die Allgemeinärzte, im Schnitt 116000 Euro im Jahr, die Röntgenärzte dagegen 264.000 Euro – wohlgemerkt nach Abzug aller Kosten, sodass davon nur noch Steuern und Sozialabgaben zu entrichten sind.
Vom Standpunkt der Kapitalverwertung ist das durchaus logisch und nützlich: Die «sprechende Medizin» ist als reine Dienstleistung nicht direkt mit der Mehrwertproduktion assoziiert, während der exzessive Einsatz von Apparaten das sehr wohl ist – und das muss natürlich honoriert werden…
Gerecht ist das, vom ärztlichen Standpunkt aus betrachtet, natürlich nicht, gesundheitspolitisch kontraproduktiv überdies, und es wäre leicht zu ändern, denn die Regeln der Verteilung zwischen den einzelnen Fachgruppen machen die ÄrztInnen im Rahmen der Selbstverwaltung, wie gesagt, unter sich aus.
Aber darüber wird eisern geschwiegen, auch darüber, dass ein reiner Funktionär wie der Herr Köhler, seines Zeichens Vorsitzender der KBV, vor kurzem versuchte, sein Jahresgehalt mal eben von 250.000 auf 350.000 Euro anzuheben. Gesundheitsminister Bahr von der Zahnärztepartei schob dem zwar öffentlich einen Riegel vor, was aber bei den darauf folgenden Gehaltsverhandlungen herauskam, weiß niemand, darüber wurde Stillschweigen vereinbart. Eine Gehaltserhöhung von 40% auf einen Schlag wäre wohl etwas zuviel gewesen, zumal die niedergelassenen Ärzte zwischen 2007 und 2011 «nur» 30% mehr Reinerlös einsacken konnten…
Die oben genannten Zahlen sagen allerdings noch nichts über den Gesamtverdienst der Ärzte aus: Es kommen noch zwei Bereiche hinzu, die das Jahreseinkommen der Mediziner – gegenüber dem Durchschnittsverdiener, der mit maximal 40.000 Euro brutto im Jahr auskommen muss, ohnehin üppig – schön abrunden. Das sind zum einen die Privatpatienten, man schätzt, dass sie im Schnitt mit 30.000 Euro pro Jahr zusätzlich zu Buche schlagen.
Und dann ist da noch das sogenannte IGELn. IGEL ist das Akronym für «Individuelle Gesundheitsleistungen». Dabei handelt es sich um einen bunten, in Wartezimmern häufig beworbenen Strauss von medizinischen Maßnahmen, die von den gesetzlichen Kassen nicht bezahlt werden, weil ihre Wirkung entweder umstritten, oder ihre Wirkungslosigkeit erwiesen ist oder auch die möglichen Schäden den möglichen Nutzen überwiegen.
Warum den Ärzten diese Einnahmequelle überhaupt erlaubt wurde? Das IGELn bringt der Ärzteschaft jährlich Mehreinnahmen von 1,5 Mrd. Euro – mehr, als jetzt die Budgeterhöhung ausmacht.
Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass es durchaus Mediziner gibt, die sich an der Bauchladenmedizin nicht beteiligen. Die haben sich allerdings auch nicht an den Streikdrohungen beteiligt.

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