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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2012
von Birger Scholz
Eigenkapitalrenditen von 25% gelten als Inbegriff des Casinokapitalismus. Dass im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) jahrelang zum Teil ähnlich hohe Renditen erzielt wurden, war in der Linken (auch in der mit Großbuchstaben) nie ein Thema. Im günstigen Falle eines hohen Eigenverbrauchs und eines günstigen KfW-Kredits konnte der private Solarinvestor – auch durch steuerliche Abschreibungen – die Zielvorgabe des Deutsch-Bankers Ackermann problemlos übersteigen.
Auch nach der Novellierung des EEG Anfang dieses Jahres bleibt die Investition weiter lohnend. Die Kosten des Ausbaus tragen hierbei alle Verbraucher. Die EEG-Umlage wirkt somit wie eine Umsatzsteuer, die im Übrigen zusätzlich noch auf die Umlage draufgeschlagen wird. Je geringer das verfügbare Einkommen, umso höher die relative Belastung. Der Hartz-IV-Empfänger aus Gelsenkirchen finanziert so die Solaranlage des Professors aus Heidelberg.
Noch vor der Erhöhung der EEG-Umlage auf 5,3 Cent forderte der Bundesverband der Verbraucherzentralen das Einfrieren der Umlage bei 3,5 Cent. Alle weiteren Steigerungen müssten dann haushaltsfinanziert werden. Ende September übernahm Bayern diese Forderung und brachte eine entsprechende Gesetzesinitiative in den Bundesrat ein. Die Idee: Die Stromsteuer (Ökosteuer) wird jeweils um den Betrag der Erhöhung der EEG-Umlage reduziert. Die Stromsteuer würde so auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe von 0,5 Cent sinken. Exakt die gleiche Forderung, nämlich die Senkung der Stromsteuer, erhebt auch Die LINKE.
Einen anderen Vorschlag unterbreitete Mitte 2011 die ehemalige Linksfraktion im Landtag NRW. Sie forderte die komplette Abschaffung der EEG-Umlage und ersatzweise die Einführung eines «EEG-Soli». Er sollte, analog zum bestehenden Solidaritätszuschlag, als Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld erhoben werden. Die Analogie war nicht zufällig. Wie die deutsche Einheit ist die Energiewende ein Jahrhundertprojekt, das nicht zum Nulltarif zu haben ist. Weil Geringverdiener – Hartz-IV-Empfänger, Niedriglöhner, Mini-Rentner – vom Solidaritätszuschlag freigestellt sind, wäre die Verteilungswirkung enorm progressiv. Gutverdiener und Unternehmen würden hingegen stark an den Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien beteiligt.
Als das Umlagesystem vor über 10 Jahren mit 0,5 Cent startete, hat sich offenkundig niemand in der damaligen Bundesregierung – und auch nicht bei der damaligen PDS, die für das EEG stimmte – Gedanken über die mittelfristige Verteilungswirkung gemacht. Zu gut passte die Umlage zum Konzept der Ökosteuer: Der Faktor Energie soll im Sinne einer vermeintlichen Lenkungswirkung teurer werden.
Während Die LINKE Stromarmut, die Macht der Oligopole und die steigenden Strompreise thematisiert und richtige Antworten – wie kostenlose Stromgrundkontingente oder Vergesellschaftung der Oligopolisten – entwickelte, wurden in der Debatte nach Fukushima die Kosten der Energiewende zugleich kleingeredet.
Auch in der Frage um die Neujustierung des EEG herrscht seitens der Linksfraktion Schweigen im Walde. Als sei die Linksfraktion nicht Lobby einer sozial gerechten Energiewende, sondern ein Lobbyverband der Ökokapitalisten, wurden alle Forderungen nach Senkung der Subventionen stereotyp zurückgewiesen.
Wer aber den massiven Ausbau von Offshore-Windparks und den damit einhergehenden Netzausbau nicht will, der muss im Süden stärker die Windräder und im Norden stärker den Solarstrom fördern. Und wer den beschleunigten Ausbau moderner Gaskraftwerke will, der muss diese möglicherweise ebenfalls subventionieren. Dass der Umbau der Energiewirtschaft massive Investitionen kostet, bestreitet in Politik und Wissenschaft niemand. Strittig sind nur die Höhe der Kosten und ihre Verteilung.
Unstrittig ist natürlich auch, dass die EEG-Umlage ohne die Befreiung der energieintensiven Industrie davon niedriger wäre, und dass der Ausbau der Erneuerbaren den Strompreis drückt (Merit-Order-Effekt). Werden beide Effekte von der ab 2013 geltenden Umlage abgezogen, verbleiben immer noch Mehrkosten von mindestens 3 Cent (plus Mehrwertsteuer). Nicht berücksichtigt sind hierbei die deutlich steigenden Netzentgelte.
In der Wahlkampfstrategie der Linken wird dagegen suggeriert, der einzige Grund für steigende Strompreise seien «die verfehlte Energiepolitik, Privatisierung und Gewinne der Konzerne». Klar haben die Oligopolisten im Zuge der Liberalisierung Extraprofite realisiert, indem sie zulasten der Beschäftigten die Nettowertschöpfung massiv steigerten. Dies führte aber nicht zu steigenden Preisen, sondern verhinderte dank der Abschaffung der Strompreisaufsicht ein Sinken der Strompreise.
Hauptpreistreiber sind dagegen die Erhöhung der Umsatz- und der Stromsteuer in Kombination mit der EEG-Umlage. Die unscharfe Diagnose der Linken spielt den Lobbyisten von Kohle und Atom in die Hände. Je weiter die EEG-Umlage steigt, umso einfacher kann die Energiewende diskreditiert werden. Eine Steuerfinanzierung nach Leistungsfähigkeit wäre verteilungspolitisch die richtige Antwort.

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