von Gerhard Klas
Die Finanzkrise und die Erschütterungen der Weltwirtschaft haben ein Thema in den Hintergrund gedrängt, das noch viel unausweichlichere Konsequenzen für die Menschheit haben wird: Die Verwüstung der Welt durch Klimawandel, Artensterben und Raubbau an den Ressourcen. Die deutsche Ausgabe des jüngsten Berichts an den Club of Rome setzt genau dieses Phänomen auf die Agenda.
Jørgen Randers war 1972 einer der Co-Autoren des legendären Berichts Die Grenzen des Wachstums.
1972 warnte der vielbeachtete Bericht davor, dass der Planet bereits in der ersten Hälfte des 21.Jahrhunderts an seine physischen Grenzen stoßen werde. Der neue Bericht schreibt die Prognosen bis 2052 fort, mit neuen Schwerpunkten: die zunehmende Urbanisierung und vor allem die CO2-Emissionen, die damals so gut wie keine Rolle spielten. «40 Jahre sind vergangen und es ist offensichtlich, dass die Welt bereits das Limit überschritten hat», so Jørgen Randers bei der Vorstellung des englischsprachigen Berichts im Mai dieses Jahres. «1972 haben unsere Kritiker gesagt, die menschliche Gesellschaft wird nicht so dumm sein und die Welt in eine Situation der Nichtnachhaltigkeit bringen – aber dort sind wir angekommen.» Der einfachste Beweis sei: «Heute wird doppelt so viel Treibhausgas emittiert, wie die Ozeane und Wälder absorbieren können.»
Neben Jørgen Randers kommen in dem Bericht vor allem westliche Wissenschaftler und zahlreiche Unternehmensberater zu Wort. Klimawandel und Armut benennen sie einhellig als die bedeutendsten Probleme der Zukunft. Bei den Lösungsansätzen verheddern sie sich jedoch in Widersprüche. So singen etwa mehrere Autoren das Loblied der sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung, während ausgerechnet ein Investmentmanager damit abrechnet.
«Soziale Verantwortung der Unternehmen, verantwortliche Kapitalanlagen, freiwillige Ökoeffizienz, Emissionshandel und romantisierender Umweltschutz werden für die gewaltige Klimaherausforderung keine Lösung bringen, genauso wenig wie die Agenda 21 und die Milleniums-Entwicklungsziele für die Armut auf der Welt Lösungen bieten können», so Carlos Joly, der schon für verschiedene Fonds in Europa und als UN-Berater gearbeitet hat. «Freiwillige Selbstregulierung der Märkte ist ein gescheitertes Dogma der 1990er und 2000er Jahre.»
Das ist einer der wenigen Autoren, der sich kritisch mit diesen vermeintlichen Lösungsansätzen beschäftigt, die an anderen Stellen des Buches völlig unreflektiert dargestellt werden. Jørgen Randers, der dem Nachhaltigkeitsrat der British Telecom und des US-Konzerns Dow Chemical angehört, nimmt dabei eine Zwischenposition ein. Er plädiert für einen «modifizierten Kapitalismus ... in dem Unternehmen eine weise Regierung als Auftraggeber gewinnen können
Randers bemüht aber nicht nur solche Sprechblasen, sondern regt auch kostenlose Transfers von Klimatechnologie in die Länder des Südens an. Dabei weiß er, dass es bei solchen Forderungen vor allem ein Problem zu überwinden gilt: Das kurzfristige Denken in der Politik, für das er – neben dem «reinen Kapitalismus» (was immer das sein mag) – auch die Demokratie verantwortlich macht. In einem Beitrag für den Berliner Tagesspiegel plädierte Jørgen Randers deshalb vor einigen Wochen für einen «wohlwollenden Diktator. Er hätte die Aufgabe, zum Vorteil der Menschen über die Klimapolitik zu bestimmen.»
Das hat ihm einige kritische Kommentare eingebracht, die ihn zu recht als Gegner der Demokratie geißelten. Denn seine Kritik an der Demokratie richtet sich nicht dagegen, dass ihr parlamentarisch-repräsentatives System längst von einer starken Liäson zwischen Wirtschaft und Politik unterhöhlt ist. Für Randers sind die Wähler das Problem – und die Politiker ihre getriebenen Opfer. «Der Handlungsspielraum der Politiker ist durch die Kurzsichtigkeit der Wähler stark eingeschränkt», so Randers. «Die einzigen politischen Institutionen, die ihren Wählern eine vorausschauende Politik aufzwingen konnten, sind die Europäische Union und die Kommunistische Partei Chinas.» Wahrscheinlich läge es daran, «dass beide nicht so direkt der demokratischen Kontrolle unterstehen wie die meisten Politiker».
Trotz kapitalismuskritischer Rhetorik trägt der Bericht zudem ganz deutlich eine wirtschaftsfreundliche Handschrift. Ein Gastautor aus der Branche darf sich sogar für den Ausbau des sog. Biosprits aussprechen, der in Fachkreisen äußerst umstritten ist, weil er in unmittelbarer Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Kurzum: Der neue Bericht an den Club of Rome appelliert zwar an die Moral, erscheint aber ansonsten wie ein Selbstbedienungsladen, in dem scheinbar für jeden etwas dabei ist.
Jørgen Randers: 2052 – Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre – Der neue Bericht an den Club of Rome. München: Oekom 2012. 432 Seiten, 24,95 Euro.
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