von Rolf Euler
Ein Hohn auf den Spruch von der «Leistung, die sich wieder lohnen soll» ist die koalitionsvereinbarte «Lebensleistungsrente» für kommende Rentnerinnen – doch war der Spruch auf diese Gruppe noch nie gemünzt.
Da hatte den Sommer über die Debatte über Altersarmut ernste Breschen in die polierte Optik vom Sozialstaat geschlagen. Dass auch die Sozialministerin alarmierte Stellungnahmen abgab, lag sicher nicht nur an Profilierungswünschen Ursula von der Leyens, sondern vor allem an den drohenden Realitäten.
Es wird immer klarer, dass die gesetzliche Rentenversicherung in den letzten Jahren durch politische Beschlüsse so gering ausgestattet wurde, dass sie in Zukunft auch für Normalverdiener hinten und vorne nicht mehr reicht. Die Prognosen sind nicht neu, sie mussten vor Jahren als Begründung für die Einführung der Riester-Betrugsrente herhalten, während gleichzeitig die Senkung des Rentenniveaus beschlossen wurde. Die grundlegenden Kürzungsbeschlüsse stammen also noch von der rot-grünen Regierung, die damit die Lohnkosten senken wollte. Die große Koalition hat dann die Renten in viel höherem Maße als früher steuerpflichtig gemacht, die jetzige Koalition hat die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge angehoben.
Wenn vor kurzem von der Koalition auch der Rentenbeitragssatz gesenkt wurde, so um erneut den Forderungen der Unternehmer nach Senkung der Lohnkosten zu entsprechen – ohne Rücksicht darauf, dass die Rücklagen der Versicherungen gerade dann für die Rentenzahlungen gebraucht werden, wenn die Konjunktur nicht mehr so gut läuft.
Der große Niedriglohnsektor, die niedrigen Tarifabschlüsse der letzten Jahre bei gleichzeitiger Steigerung der Lebenshaltungskosten vor allem für die unteren Einkommensschichten, die Abdrängung von Frauen vor allem in niedrig bezahlte haushaltsnahe Dienstleistungen und in Teilzeitarbeit: das alles sind – zusätzlich zu den Sparbeschlüssen der verschiedenen Regierungen – die tatsächlichen Gründe für die drohende Altersarmut, vor allem der von Frauen.
Die von der jetzigen Koalition gefundene «Lösung» der Lebensleistungsrente wird daran überhaupt nichts ändern. Es gibt genügend andere, bessere Vorschläge für eine Aufbesserung der Minirenten – auch unter der Maßgabe, dass ein Mensch, der «lebenslang» gearbeitet hat, in der gesetzlichen Rente besser gestellt werden soll als jemand, der nicht ständig in die Rentenkassen eingezahlt hat, und angesichts von Löhnen, deren Höhe selbst nach 45-jähriger Erwerbstätigkeit nicht für eine Rente reicht, die über dem Sozialsatz liegt.
Zum Beispiel würde die Beseitigung der Ungleichbehandlung von Kindern, die vor 1992 geboren sind, vielen Müttern eine bessere Rente ermöglichen, weil dann nicht nur ein, sondern, wie bei später geborenen Kindern, drei «Erziehungsjahre» mit Durchschnittsverdienst bewertet würden.
Stattdessen verständigte sich die Koalition auf eine Scheinreform, die «nichts kostet», weil die Anspruchsvoraussetzungen so gewählt wurden, dass gerade Frauen mit heute typischer Erwerbsbiografie kaum etwas davon haben werden. Im nächsten Jahr sollen etwa 40.000 Anspruchsberechtigte die Voraussetzungen erfüllen können.
So muss jemand 40 Jahre gesetzlich rentenversichert gewesen sein, und muss in eine private Zusatzversorgung – zum Beispiel Riesterrente – eingezahlt haben, um in den Genuss der Lebensleistungsrente zu kommen. Diese Rente soll auch nur 10 bis maximal 15 Euro über dem Satz liegen, der sowieso als (aufgestockte) Sozialrente (Grundsicherung) gezahlt werden muss. Der Streit darum, ob als Bezugsgröße dann die teuersten Städte wie München und Hamburg, oder der Durchschnitt aller Gemeinden oder die günstigsten Städte genommen wird, ist nur eine Suche nach dem billigsten Weg.
Dazu kommen Bedürftigkeitsprüfungen, die Klärung des Gesamteinkommens von Lebensgemeinschaften und sonstige bürokratische Hürden.
Erneut macht die Regierung deutlich, dass sie schnell und konsequent Milliarden in die Hand nimmt, wenn es um Begünstigungen für Unternehmen und Banken geht, aber schon bei wenigen hundert Millionen Euro für Rentner sofort auf die Bremse tritt.
«Wahlgeschenke» wie die Abschaffung der 10-Euro-Praxisgebühr oder die Senkung der Rentenbeiträge werden nichts daran ändern, dass Millionen Menschen, vor allem Frauen, im Alter von Armut bedroht sind und mit einer sog. «Lebensleistungsrente» von zusätzlich 10 Euro bitter verhöhnt werden.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.