Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2012
Impulse für eine sozial und ökologisch gerechte Zukunft.
Hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2012. 50 S., kostenlos
von Boris Schultz

Zwanzig Jahre nach dem Erdgipfel von Rio und kurz vor dem Rio+20-Gipfel brachten die Autoren im Rahmen der Schriftenreihe zur Ökologie der Heinrich-Böll-Stiftung diese Broschüre heraus. In fünf Kapiteln bilanzieren die Vereinbarungen und die Entwicklungen der letzten 20 Jahre, erklären die verschiedenen Begriffe von Grüner Ökonomie und geben einen Ausblick, wie es laufen könnte.
Das erste Kapitel beleuchtet das Gastgeberland Brasilien. Das Land hat sich in den vergangen 20 Jahren zu einer regionalen Großmacht entwickelt. Überhaupt ist Lateinamerika seit der Erstarkung der politischen Linken im Aufschwung. Das erste Kapitel beschreibt, wie die brasilianische Regierung unter dem «Arbeiterpräsidenten» Lula ihren Energiewandel – massiver Ausbau der Wasserkraft in Amazonien und der Agrotreibstoffe – als eine Version Grüner Ökonomie darstellt. Richtigerweise wird davon gesprochen, dass «grüne Ideen» damit ihre Unschuld verloren haben und dass diese Energiepolitik zur Vernichtung von Regenwald und zur Vertreibung der indigenen Bevölkerung führt.
Das zweite Kapitel zieht eine ernüchternde Bilanz von 20 Jahren Rio. Unter anderem wird besonders auf den Begriff «Nachhaltige Entwicklung» eingegangen. Mit Entwicklung war lange gemeint, dass arme Länder nur Erfolg haben, wenn sie den fossilen Weg der Industrieländer gehen. Es stellt sich aber die Frage: Was bedeutet Nachhaltigkeit, was ist Entwicklung? Die Umwelt und die indigene Bevölkerung müssten ja mit einbezogen werden.
Im dritten Kapitel werden die Konzepte Grüner Ökonomie vorgestellt, als da wären: Grüne Ökonomie laut UNEP, Monetarisierung der Natur, Grünes Wachstum laut OECD, Bioökonomie und Technologie (Konsistenz) und Effizienz. Dieses erfolgt erfreulich kritisch und gegen Ende heißt es, dass bei all diesen Konzepten die Wirtschaft im Mittelpunkt der Debatten steht. Leider greifen die Ausführungen zu Effizienz und Konsistenz zu kurz. Bei der Kritik am Effizienzbegriff wird nicht erwähnt, dass durch eine Effizienzsteigerung des Ressourcenverbrauchs die Produktivität erhöht wird und dadurch mit derselben Menge an Ressourcen mehr Güter produziert werden. Mit Konsistenz ist der Wechsel zu umweltverträglichen Technologien gemeint. Natürlich stoßen umweltverträgliche Technologien an ihre Grenzen, wenn der Ertrag immer weiter gesteigert wird. Jedoch gehört zur Konsistenz auch der effiziente Einsatz dieser Technologien.
Das vierte Kapitel geht auf die Wachstums- und Wohlstandsfrage ein. Als Gegenentwurf zur globalisierten Wachstumsgesellschaft werden die Allmende oder die Social commons vorgestellt, das meint den Austausch von Waren und Dienstleistungen innerhalb der Gemeinschaft. Das Prinzip der Gegenseitigkeit ist vorherrschend. Der Wohlstandsbegriff verändert sich gegenüber der heutigen Wachstumsgesellschaft. Wohlstand ist dann nichts Monetäres mehr, das Wohl der Gemeinschaft ist das Ziel. In den Ausführungen fehlt, wie diese Gesellschaftsform erreicht werden kann. Die theoretische Erläuterung, was Eigentum, Konkurrenz oder Wertschöpfung in den Social commons bedeuten, ist schwer verständlich.
Im fünften Kapitel werden kurz weitere Strömungen gegen das konventionelle Entwicklungsdenken vorgestellt: Buen Vivir und Sufficiency Economy. Buen Vivir hat seinen Ursprung in der indigenen Bevölkerung der Anden, während die Sufficiency Economy buddhistische Ursprünge aufweist.
Insgesamt, trotz einiger Unklarheiten, ein gelungener Beitrag, wie eine zukünftige Gesellschaft aussehen kann – nämlich nur jenseits von Kapitalismus und Wachstum. Das Buch gibt einen sehr guten Anstoß, über zukünftige Wirtschafts- und Gesellschaftsformen weiter zu diskutieren.

Die Broschüre ist momentan vergriffen, aber als PDF-Datei herunterladbar unter www.boell.de/publikationen.

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