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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2012
Werksschließung in Genk
von Christophe Callewaert

Trotz Beschäftigungssicherung bis 2020 will die Geschäftsleitung von Ford ihr Werk in Genk bis 2014 schließen.
Am 24.Oktober fiel der Hammer: Die Geschäftsleitung von Ford in der belgischen Provinz Limburg verkündete, das Werk schließen und die Produktion nach Valencia in Spanien verlagern zu wollen. 4300 direkte und mindestens 6000 indirekte Arbeitsplätze werden so mit einem Federstrich wegradiert. Dabei hatten die Arbeiter viele Zugeständnisse gemacht, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten: Im Frühjahr hatten sie eine 12%ige Lohnkürzung akzeptiert und ihnen war Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2020 zugesagt worden.
1997 zog Renault aus Vilvoorde weg, 2010 Opel aus Antwerpen, 2011 Arcelor-Mittal aus Lüttich, jetzt geht Ford aus Genk weg. Damit geht ein weiteres Herzstück der belgischen Industrie verloren, trotz üppigen Steuererleichterungen und öffentlichen Subventionen. All diese Willfährigkeit hat nichts gebracht. Jetzt bleiben nur noch Volvo in Gent und Audi in Brüssel.
Wie wichtig dennoch auch die restliche Autoproduktion für Belgien noch ist, machen folgende Zahlen des belgischen Industrieverbands Agoria deutlich: Autos machen 10% des belgischen Exports aus. Das Werk in Genk trug 15% der Wertschöpfung durch die belgische Autoindustrie bei. Und die Schließung kostet Belgien laut Agoria 0,3 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts.
Der Umstrukturierungsplan für Ford berührt auch britische Werke: Southampton, wo der Ford-Transit hergestellt wird, soll geschlossen werden, 500 Arbeitsplätze stehen direkt auf dem Spiel. Die Gewerkschaft UNITE befürchtet zudem, dass 1000 Arbeitsplätze aus dem Werk Dagenham, das Dieselmotoren herstellt, nach Rumänien verlagert werden. Für die britischen Kollegen ist die Lage noch schlechter als in Belgien, denn wegen der restriktiven Streikgesetze dürfen sie nicht einmal kurzfristig in den Ausstand treten.

Das Märchen von den Lohnkosten
Noch im September hatte die Geschäftsleitung den Ford-Arbeitern versichert, ab dem 14.Oktober 2013 werde der neue Mondeo in Genk gebaut. Fünf Wochen später ist alles anders. Was hat sich geändert?
Es hat sich der Absatzrückgang von Ford-Autos in Europa beschleunigt: um 12% in den vergangenen neun Monaten, aber im Vormonat September waren es schon 15%. Geschäftsführer Stephen Odell prognostiziert für Europa einen Verlust von einer Milliarde Dollar.
Ursache dieses Absturzes ist die Wirtschaftskrise in Europa. Die traditionellen Märkte in Europa, den USA und Japan sind gesättigt, in den Schwellenländern China, Indien, Brasilien und Osteuropa ist die Konkurrenz groß, und auch da ist die Rezession spürbar. Die neoliberale Propaganda aber macht angeblich zu hohe Lohn- und Sozialkosten in Belgien verantwortlich. «Wenn wir mit Deutschland verglichen werden, ziehen wir regelmäßig den Kürzeren, das wird durch unsere Preisgleitklausel noch verschlimmert, die häufig zur Unzeit kommt. Die ist immer noch ein Tabuthema», sagt der Wirtschaftsfachmann Geert Noels im Fernsehen.
Der Industrieverband Agoria hat in diesem Frühjahr die Lohnkosten der drei verbleibenden Autofirmen in Belgien untersucht: Ford Genk, Audi Brüssel und Volvo Gent, und hat sie mit Montagebetrieben in Deutschland verglichen. Das Ergebnis: Die belgischen Arbeiter sind 5% billiger als die deutschen, weil die Arbeitgeberbeiträge gesenkt und die Löhne bei Audi vor Jahren stark gekürzt wurden, damit der Betrieb erhalten blieb. Der automatischen Lohnanpassung ist es zu verdanken, dass die Lohndifferenz zwischen beiden Ländern inzwischen um die Hälfte gesenkt werden konnte.
Wie das Flämische Zentrum für Forschung im Automobilbereich und der ehemalige Direktor von Ford-Genk, Peter Heller, betonen, tragen die Lohnkosten nicht mehr als 5% zu den Gesamtproduktionskosten bei. Das hängt damit zusammen, dass in Belgien hauptsächlich Montage gemacht wird. In Deutschland ist der Lohnkostenanteil höher.
«Wegen der höheren deutschen Lohnkosten steigen die Preise auch für Autos, die in Belgien montiert werden. Fast 70% der belgischen Montagekosten ist auf den Kauf von Zubehör und Dienstleistungen zurückzuführen, die zumeist aus Deutschland kommen.» Das Flämische Forschungszentrum hat errechnet, dass die deutschen Lohnkosten schwerer auf den Montagekosten wiegen als die belgischen.
Es können also nicht die Lohnkosten gewesen sein, die die Geschäftsleitung zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der herrschenden Propaganda ist das jedoch egal, ihr geht es nur darum, die Verantwortung von der Kapitalseite abzuwälzen und die Arbeiter zu spalten.
aus: www.dewereldmorgen.be, ´Übersetzung: Angela Klein

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