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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2012
am 17.Oktober 2012

Wahldebakel der extremen Rechten, steiler Aufstieg der separatistischen Nationalliberalen und Aufschwung der radikalen Linken um die Partei der Arbeit (PTB/PVDA) – das ist der wahlpolitische Trend, der bei den Kommunal- und Provinzwahlen in Belgien am 17.Oktober zum Ausdruck kam.
Im niederländischsprachigen Teil löst die Neue Flämische Allianz (NVA) den rechtsextremen Vlaams Belang (VB) ab, der fast überall auf dem Rückzug ist, und wird stärkste Partei; in Wallonien verlieren die Sozialdemokraten weiter an die Liberalen, bleiben aber stärkste Partei. Die Grünen stagnieren hier, gewinnen aber in Flandern. Auf das flämische Parlament hochgerechnet würden die Wahlergebnisse vom 17.Oktober bedeuten: 38 Sitze für die NVA; 29 für die Christdemokraten; je 18 für Sozialdemokratie und Grüne.
Die NVA wird als nationalliberale Strömung bezeichnet. Sie ist eindeutig bürgerlich, und ebenso eindeutig separatistisch. In Antwerpen, das seit 60 Jahren von der Sozialdemokratie regiert wird, hat sie 37,7% der Stimmen geholt und stellt mit Parteichef Bart de Wever jetzt den Bürgermeister. Wever hat nicht mit lokalen Themen Wahlkampf gemacht, sondern präsentierte sich als die einzige Partei, die einen «Bruch mit diesem System» herbeiführen kann. Die Mehrzahl seiner Stimmen holte er vom Vlaams Belang, der drei Viertel seiner Wählerschaft verloren hat.
Die NVA will an den belgischen Staat keine Steuern mehr abführen und nur noch in einer Konföderation mit Wallonien stehen. Die bisherigen Versuche der sozialliberal-christlichen Koalition (der Parteien des «alten Belgien»), mit immer mehr neoliberalen Zugeständnissen und Arbeitsmarktreformen à la Schröder das belgische System des Föderalismus zu retten (und somit auch den Platz, den die Sozialdemokratie darin einnimmt), gelten als gescheitert. Die flämischen Unternehmer unterstützen de Wever, weil sie hoffen, in einem nur noch konföderierten Flandern leichter eine noch aggressivere Politik gegenüber den Lohnabhängigen durchsetzen zu können.
Auf der französischsprachigen Seite plädieren die Unternehmer ebenfalls für eine neue Spirale der Sparpolitik – im Namen des Kampfes gegen den Nationalismus! Vor allem die Preisgleitklausel in den Tarifverträgen steht auf der Abschussliste. Im Januar hatten die Gewerkschaften einen 24stündigen Generalstreik organisiert; darauf ist dann aber weiter nichts mehr gefolgt. Die Gewerkschaftsvorstände sehen zum «belgischen System» keine Alternative, weil sie die Einheit der Sozialversicherung mit der Einheit des Landes gleichsetzen. Die Sozialdemokratie ist auf Schröder-Kurs.
Die Partei der Arbeit (PTB/PVDA) hat in allen Landesteilen bedeutend zugelegt. Sie konnte die Zahl ihrer Ratsmandate von 15 auf 48 steigern, davon sind 17 im Distrikt von Antwerpen; außerdem gewann sie 4 Mandate für Provinzräte (2 in Lüttich und 2 in Antwerpen). In Antwerpen erhielt sie fast 8% der Stimmen (4 Ratsmandate); in der Region Lüttich wurde sie in Zelzate (6 Mandate) und Seraing (5 Mandate) zweitstärkste Partei; in Herstal errang sie 4, in Lüttich-Stadt 2 Mandate, in Brüssel in zwei Bezirken je 1 Mandat (Molenbeek-Saint-Jean und Schaerbeek).

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