Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2012
Beiträge aus Sozial.Geschichte Online
Hrsg. Peter Birke, Max Henninger, Berlin: Assoziation A, 2012. 312 S., 18 Euro
von Jochen Gester

Im Jahr 2009 wurde die von der Stiftung für Sozialgeschichte des 20.Jahrhunderts, Bremen, herausgegebene Zeitschrift Sozial.Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21.Jahrhunderts als Projekt «Sozial.Geschichte Online» neu konstituiert. Es setzt den bisherigen Forschungsschwerpunkt über die weltweite Arbeitsgeschichte fort, thematisiert als neuen Schwerpunkt jedoch stärker die aktuellen sozialen Auseinandersetzungen.
Dazu haben Peter Birke und Max Henninger jetzt ein Buch mit dem Titel Krisenproteste herausgegeben, in dem Artikel des Online-Magazins – zum Teil aktualisiert – aus den letzten beiden Jahren zusammengetragen wurden. Der Einleitungsbeitrag zeichnet in einem großen zeitlichen Bogen die ökonomischeEntwicklung seit den 70er Jahren nach, um den Kontext von Sozialprotesten begreifbar zu machen – eine schöne kompakte Einführung in das Verständnis der Nachkriegssozialgeschichte.
Die sozialen Kämpfe werden in globaler Perspektive und in nationaler Ausprägung betrachtet. In Bezug auf die deutsche Situation schreiben die Herausgeber: «Wir haben den Eindruck, dass in der bundesdeutschen (auch linken und linksradikalen) Debatte eine Mischung aus distanzierter Ohnmacht und emphatischen Weltverbesserungsvorschlägen vorherrscht, wenn von den Krisen und Protesten in anderen Teilen der Welt oder Europas gesprochen wird. Wir möchten mit diesem Buch dazu beitragen, diesem Nebeneinander von Resignation und Beschwörung Einblicke in konkrete Protestgeschehen, ihre Möglichkeiten, Verläufe und auch ihre Begrenztheit entgegenzusetzen.»
Dem dienen elf Artikel, mehrheitlich als Länderstudien angelegt. Zum Verständnis des «Arabischen Frühlings» gibt es eine interessante Chronologie der Entwicklungen in Tunesien aus Teilnehmerperspektive. Karl-Heinz Roth und vor allem Gregor Kritidis erklären Charakter und Verlauf der griechischen Krise und skizzieren politischen Optionen. Der Spanien-Beitrag fragt danach, wer die «Bewegung 15.Mai» trägt und was sie bewirkt hat. Silvia Federici gibt Auskunft über das Entstehen der Occupy-Bewegung in den USA und ihre weltweite Bedeutung. Peter Birke bilanziert Arbeitskämpfe in Deutschland während der aktuellen Krise, beschreibt neuere Akzente und wie der gewerkschaftliche Korporatismus auf Krise und Widerstandspotenzial wirkt. Ausgesprochen interessante, jedoch wenig mutmachende Einsichten vermittelt auch der Essay über die Sozialproteste in England. Denn für die Betroffenen ist – so das Resümee – nicht nur eine Krise der sozialen Reproduktion entstanden, sondern auch eine Verarmung der Fantasie, sich ein anderes Leben vorzustellen. Eine gründliche Länderstudie über Italien liefert auch Kristin Carls. Ihr Urteil über die Gründe für die Erfolglosigkeit von Sozialprotesten ließe sich durchaus verallgemeinern: «Die Zersplitterung der einzelnen Kämpfe ist noch wie vor groß und die reale Kooperationsfähigkeit oft nicht stark genug.»
Im Schlussbeitrag untersuchen Pun Ngai und Lu Huilin die Veränderungen, die sich in der zweiten Generation der chinesischen Wanderarbeiter vollzogen haben, und warum die 200 Millionen Landarbeiterinnen und Landarbeiter, die heute einen wichtigen Teil der globalisierten Ökonomie ausmachen, zu Gegnern des Kapitals werden und Merkmale einer selbstbewussten Klasse entwickeln.

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