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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2012

«Wann sollen wir jemals etwas durchsetzen, wenn nicht jetzt?»
von Jochen Gester

In einem Tarifinfo des WSI heißt es resümierend zur Einkommensentwicklung in Deutschland: «Im Zeitraum von 2000 bis 2010 sind die Bruttomonatsverdienste je Arbeitnehmer um 12,7% gestiegen, jahresdurchschnittlich um 1,2%. Real (preisbereinigt) sind die nominalen Bruttoeinkommen in sieben Jahren gesunken, in einem Jahr stagniert, in zwei Jahren um 0,1% und im vergangenen Jahr um 1,1% gestiegen. Im Jahr 2010 belief sich der Reallohnindex auf 96% des Niveaus des Jahres 2000.»

Da diese Grundtendenz auch für den öffentlichen Dienst gilt, war es ein zentrales Ziel in der diesjährigen Tarifbewegung des öffentlichen Dienstes, diesen Trend zu brechen. Die Forderungen von Ver.di lauteten:

– eine lineare Erhöhung von 6,5%;

– mindestens jedoch 200 Euro als soziale Komponente,

– für Auszubildende eine Garantie der unbefristeten Übernahme im erlernten Beruf nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung,

– Laufzeit: 12 Monate.

Die Bereitschaft der Beschäftigten der bestreikten kommunalen Dienste, dafür zu streiken, war überraschend groß. Insgesamt sollen sich nach Gewerkschaftsangaben über 300.000 Lohnabhängige an den verschiedenen Aktionen beteiligt haben.

Ende März wurde eine Einigung in den zentralen Verhandlungen erreicht. Die mit ehrenamtlichen Betriebsräten und Vertrauensleuten besetzte Bundestarifkommission tagte in der Nacht geschlagene sechs Stunden. Wie die Tageszeitung junge Welt (2.4.2012) erfuhr, «sprach sich in einer ersten Abstimmung zunächst eine knappe Mehrheit gegen den Abschluss aus. Daraufhin wurde die Sitzung unterbrochen und einzelne Delegationen wurden zu Treffen mit Frank Bsirske geladen, bei denen sich der Ver.di-Chef für die Annahme des Ergebnisses stark machte. Bei einem zweiten Votum stimmten den Informationen zufolge schließlich 45 von 81 Mitgliedern der Tarifkommission zu, bei 30 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Die Delegationen der Landesbezirke Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen-Bremen waren demnach mehrheitlich gegen die Vereinbarung…»

Über das Ergebnis führt Ver.di eine Mitgliederbefragung durch. Wird in dieser Befragung eine Zustimmung von mindestens 25% erreicht, gilt das Ergebnis als angenommen. Es ist davon auszugehen, dass die Quote erreicht wird, zumal die vereinbarten Tariferhöhungen für wesentliche Teile der Mitglieder erstmals nicht unterhalb der Inflationsrate liegen. Das Ziel einer strukturellen Umverteilung zugunsten der unteren Gehaltsgruppen wurde jedoch vollständig verfehlt, was, zusammen mit der zu langen Laufzeit von 24 Monaten die größte Kritik in der Mitgliedschaft hervorgerufen hat.

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