von Wolfgang Ehmke
Nein, so geht das nicht! Bundesumweltminister Peter Altmaier schiebt in bewährter Manier das Thema Gorleben vor sich her. Ein Offenhaltungsbetrieb soll bis nach den Bundestagswahlen 2013 also alles offen halten. Was aber viel gravierender ist, die Atommülldebatte wird für weitere zehn Monate auf Eis gelegt. Altmaiers Parteifreund, der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, will Gorleben durch die Hintertür fallen lassen, er plädiert für die Rückholbarkeit des Atommülls und damit scheide ein Salzstock als Endlager aus.
Auch die Grünen haben auf ihrem Parteitag einen Kompromiss beschlossen, um Gorleben als Endlagerstandort los zu werden. Demnach soll eine Endlagersuche mit Gorleben stattfinden, aber die Sicherheitskriterien bei der Standortsuche sollen so gestaltet werden, dass Gorleben im Vergleich rausfällt. Das klingt doch logisch, oder?
Warum sagen wir dann, so geht das nicht? Nicht, weil wir partout nur auf die Frage fixiert sind, dass Gorleben kippen muss. Das wäre reiner Lokalpatriotismus. Sondern weil wir die Frage, wohin mit dem Atommüll, viel grundsätzlicher angehen. Erstens fehlt uns in der Debatte eine wichtige Prämisse: Eine Endlagersuche ohne konsequenten Atomausstieg suggeriert, die Lagerung von Atommüll sei machbar, lösbar. Es ist aber ganz anders. Die Nutzung der Atomkraft ist unbeherrschbar und die Endlagerung auch. Deshalb müssten wir das Wort ständig in Anführungsstriche setzen, denn die Probleme werden kein Ende haben, wenn Müll in tiefen geologischen Formationen versenkt wird, auf irgendwelchen Wasserpfaden kommen Radionuklide wieder in der Biosphäre an!
Deshalb ist das Jahrtausendthema auch kein Thema, dessen «Lösung» wir Parteipolitikern zutrauen. Der Kompromiss innerhalb der Grünen verrät schon, dass es eine andere Lösung gäbe. Ein Standort, bei dem von Anfang auf Lug und Trug gebaut wurde, ein Standort, der nur im Spiel blieb, weil die Sicherheitskriterien fortlaufend an die miesen geologischen Befunde angepasst wurde, ein solcher Standort kann nicht fortgeschleppt werden. Ein Beispiel ist der Verzicht auf zwei geologische Barrieren, weil das Deckgebirge keine wasserabschirmende Tonschicht hat. Was sollen Menschen an anderen potenziellen Standorten denken, wenn mit Gorleben Lug und Trug als Findungskriterium eingebaut wird? Es hätte das politische Eingeständnis gebraucht, dass der Standort Gorleben dermaßen diskreditiert ist, dass sich auch ein Standortvergleich verbietet. Die Festlegung auf Gorleben von Anfang an wird nicht ins Gegenteil verkehrt dadurch, dass Gorleben weiter «im Spiel» bleibt.
Aber es ist kein Spiel, hier geht es um harte Fakten, den faktischen Ausbau des Endlagerbergwerks zu einer Atommülldeponie. Hier hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Fakten geschaffen durch eine Aktenlage, die pro Gorleben spricht, alles schön gefiltert mit Eignungsaussage. Hier legen Gorleben-affine Institute für die Summe von 9 Mio. Euro noch eins drauf mit der «vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben» (vSG), einer Machbarkeitsstudie für den Betrieb eines «Endlagers» in Gorleben. Doch in diesem Salzstock bleibt nicht drin, was an hochgiftigen und hochradioaktiven Stoffen versenkt wird.
In Wirklichkeit geht es um Wahlkampf, und da gibt es ein Problem, das nicht nur die Grünen haben. Wer im Land will schon eine Atommülldeponie? Und wer hat mit wem bisher was ausgehandelt?
Eine Atommülldeponie ist kein Wahlkampfschlager, es ist ein Verliererthema. Es riecht nach aufflammendem Bürgerprotest, denn, so sagen sich die Leute, wer die Öffentlichkeit so hintergeht wie in Gorleben, der wird es auch an anderer Stelle tun. Sonst hätte man die Fehler eingestanden und einen Schlussstrich gezogen. Pro forma stimmen die Politiker anderer Bundesländer einer «ergebnisoffenen Suche» zu, aber in diesem Kreis kann man sicher sein, dass der Kelch an einem vorüber geht, man hat ja Gorleben.
Peter Altmaier (CDU), der Bundesumweltminister, hat den Grünen schon mal gratuliert, der Kompromiss sei eine gute Verhandlungsgrundlage, der kann noch weiter aufgeweicht werden, wenn am Suchgesetz gefeilt und gefeilscht wird. Die Fraktionsspitzen der Opposition wie Jürgen Trittin und auch der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel sind «strikt» gegen Gorleben, aber für Gorleben im Endlagerpool. Die Grünen wollten auf ihrem Parteitag den Spitzenkandidaten nicht beschädigen, der auch noch aus Niedersachsen kommt, die wortgewandten Erklärungen grüner Politiker sollen über das Einknicken hinwegtäuschen. Der SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen, Stephan Weil, steht vor dem gleichen Dilemma. Er will strikt auf Gorleben verzichten, Gabriel, der auch ein Niedersachse ist, pfeift drauf.
Deshalb muss die Debatte von der interessierten Öffentlichkeit, von Umweltverbänden und Anti-AKW-Initiativen vorangetrieben werden, das Ziel muss sein, diese Jahrtausendfrage nicht im Takt von Legislaturperioden, sondern unabhängig von Parteiinteressen zu diskutieren. Ein Zukunftsrat könnte den Anfang machen. Hier gälte es, ohne Zeitdruck und unabhängig von Parteiinteressen die Anforderungen an ein Auswahlverfahren bei der Endlagersuche zu beschreiben.
Die Initiativen der gescheiterten und möglichen Endlagerstandorte Morsleben, Asse II, Schacht Konrad und Gorleben laden deshalb zur Atommüllkonferenz für den 2.Februar 2013 nach Kassel ein. Sie gehen das facettenreiche und verzwickte Thema «Abriss von Atomanlagen» und die Fragen an: Wohin mit Atomabfällen? Wie die Öffentlichkeit beteiligen?
Wolfgang Ehmke ist Pressesprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Nähere Informationen über www.atommuellkonferenz.de.
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