München: Heyne, 2012. 650 S., 10,99 Euro
von Udo Bonn
Verwundert ist man schon, wenn die Lieblingskrimibuchhandlung an einem normalen Verkaufstag geschlossen ist. Wenn der Buchhändler sich aber auf einem Plakat von seinen Kunden in eine andere Welt verabschiedet, dann ist das wohl brachialer Humor, der das traurige Abschiednehmen vielleicht für die, die ihn kannten, erleichtern soll.
Manfred Sarrazin, der Gründer der Buchhandlung Alibi liegt in einem Kölner Hospiz, schwer erkrankt an den Folgen einer Krebsbehandlung. Der Besuch in dem Laden war für mich jedesmal ein Ereignis. Keiner konnte einen auf die von ihm vorgeschlagenen Bücher so heiß machen, und häufig genug waren seine Zusammenfassungen spannender und akzentuierter als die Romane selber.
Schöner als die Geschichten vom Rausbuxieren von Kunden (und wohl in der Mehrzahl Kundinnen), deren Kaufwünsche weitab von seinem ausgewiesen hochrangigen Sortiment lagen, war seine kurz angebundene Art, mit der er mir manchmal klar machte, ich könnte direkt wieder gehen, für mich hätte er gerade nichts im Angebot, was ich nicht schon kennen würde. Ein Buchhändler und kein Kaufmann. Allzu oft aber wollte man nur kurz einen Krimi kaufen und kam mit drei oder vier Büchern nach über einer Stunde aus dem Laden. Gequatscht wurde dann über Gott und die Welt, die Eigenarten der Kölner, über Stories von echten Polizisten und Geheimdienstlern, die Arbeitsbedingungen in chinesischen und indischen Fabriken. Welch eine Bereicherung. Er fehlt schon jetzt.
Manfred Sarrazin hätte mir auf jeden Fall die Bayou-Trilogie Im Süden von Daniel Woodrell empfohlen, und diese Empfehlung gebe ich weiter. Woodrell ist einer breiteren Leserschaft mit der Verfilmung von Winters Bones bekannt geworden. Ende der 80er Jahre mit dem Roman Cajun Blues begonnen, beschreibt Woodrell den nahezu aussichtslosen Kampf des Ex-Boxers und Detektiv Rene Shade in dem fiktiven Kaff St.Bruno, tief in den Sümpfen Louisianas. Korruption, Gewalttätigkeit sind alltäglich, auch die Vorgesetzten sind davon nicht ausgenommen, und mit der eigenen Familie gibt’s auch nichts als Schwierigkeiten.
650 Seiten erstklassige Krimikost. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
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