von Marja Winken
Um die traditionelle Liebknecht-Luxemburg-Demonstration (LL-Demo) am zweiten Wochenende im Januar, mit der die Linke der Ermordung von «Karl&Rosa» gedenkt, ist eine heiße Debatte entbrannt. Ein Teil hat sich nämlich abgespalten und einen Aufruf für «Rosa&Karl» verbreitet. Dazu gehören u.a. die Berliner Jugendverbände der Falken, der Jusos, der Linksjugend-solid, der Naturfreundejugend und der DGB-Jugend, sowie die «Emanzipatorische Linke». Den Aufruf zur LL-Demo haben zahlreiche Einzelpersonen, darunter Abgeordnete der Linkspartei, Mitglieder verschiedener Organisationen der radikalen Linken, die MLPD, Gliederungen der DKP u.a. Organisationen unterzeichnet.
Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Ob ich am 13.Januar nach Berlin fahre, wegen «LL» oder auch «Rosa&Karl», wie diese und jene Aufrufer es modisch flott formulieren? Ich weiß nicht. Für welche der Einladungen soll ich mich entscheiden? Bei «LL» werden Stalin, Mao, Ho Chi Minh und Honecker mitgeschleppt, symbolisch jedenfalls – warnen mich die «Rosa&Karl»-Leute. Außerdem ist in der Einladung für «LL» von der Gefahr eines «Weltenbrandes» die Rede, und das, wissen die Konkurrenten von «LL», ist ein Begriff aus der Edda. Näheres über deren Gefährlichkeit ist wohl in der antideutschen Publizistik zu erfahren, soll ich die nun erst noch studieren?
Stalinikonen mag ich nicht. Auch da aber wird es kompliziert: Muss ich mich deswegen auch Bildern von Ho Chi Minh fernhalten? Für «Rosa & Karl» werben die Jusos, denn «Revolution ist großartig, alles andere ist Quark». Hat Rosa Luxemburg in einem Brief geschrieben, und so etwas gefällt dem SPD-Nachwuchs. Wenn das Noske wüsste! Er käme in Versuchung, die jungen Leute in seiner Partei Mores zu lehren, auf seine Art. Oder würde er, Realo der er war, sich schnell beruhigen, weil er wußte, sozialdemokratisches Papier ist geduldig? Bei «Rosa& Karl» will auch die solide Linksjugend mitmachen.
Dennoch, ich habe meine Zweifel. Der Werbetext für diese Demo ist sehr lang, noch dazu syntaktisch eigenwillig, so dass ich über manches darin erst einmal rätseln muss. Zum Beispiel: «Personalisierte Kapitalismuskritik», so heißt es dort, öffne «die Tür zum Antisemitismus». Vielleicht ist «personalisierend» gemeint, auch dann komme ich jedoch in Schwierigkeiten: Ist es judenfeindlich, wenn ich den Eindruck habe, dass im Kapitalismus Kapitalisten fungieren? Oder haben die «Rosa&Karl»-Aufrufer im Hinterkopf, dass man von Kapitalisten nicht böse sprechen solle, weil die tatsächlich allesamt Juden seien? Da wird es mir unheimlich, glaubten das nicht die Nazis?
«Jusos wissen», steht im «Rosa&Karl»-Aufruf, «um die spannungsgeladene Geschichte ihrer Partei». Am 13. in Berlin, insofern muss sich der Hauptstadttourist nicht ängstigen, wird diese Spannung keine explosive Entladung hervorbringen, so elektrisierend geht es derzeit in der Sozialdemokratie nicht zu. Eine Revolution ist da nicht zu erwarten. Und einen SPD-Wehrminister gibt es zur Zeit auch nicht.
Ich glaube, ich fahre doch, wegen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Mit Stalin hatten die nichts zu schaffen, mit den Antideutschen auch nicht. Tote freilich können sich nicht mehr wehren, nicht einmal gegen linksjugendlichen & jungsozialdemokratischen Quark.
http://ll-demo.de/2013/aufruf/start.html; http://rosaundkarl.blogsport.de/aufruf .
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