Auf dem Pfad des grünen Kapitalismus
von Manfred Dietenberger
Großspurig warb die IGM für den auf drei Tage (5.–7.Dezember 2012) angelegten Kongress «Kurswechsel für ein gutes Leben». Und auf einen Kurswechsel hofften nicht nur die 800 Teilnehmer. 200 Wissenschaftler sollten den Input liefern. Die IG Metall wollte mit ihnen über Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Richtung gute Arbeit, Gerechtigkeit und ökologischen Wandel diskutieren. Es gehe um «Alternativen zum finanzmarktgetriebenen Kapitalismus», sagte der zweite IGM-Vorsitzende Detlef Wetzel in seiner Begrüßungsansprache.
Doch der Metall-Adler kreißte und gebar nur eine sozialdemokratische Öko-Maus: «Ein ökologischer Umbau der Industrie wird nur gelingen, wenn Unternehmen und Beschäftigte an einem Strang ziehen. Um die ökologische Wende erfolgreich zu meistern, müssen aber auch soziale Kriterien mitgedacht werden. Es besteht die Chance, in der ökologischen Wende Arbeitsplätze zu erhalten und neue entstehen zu lassen.» «Nur wenn es uns gelingt, über aktive Industriepolitik die industrielle Wertschöpfung auszubauen und sie ökologisch zu gestalten, können wir langfristig Wohlstand sichern», sagte Berthold Huber.
Um die privaten Investitionen zu erhöhen, forderte der erste Vorsitzende der IG Metall flexible Sonderabschreibungen von 50% auf ökologische Investitionen für Unternehmen. Mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm müssten erneuerbare Energien zu Leittechnologien gemacht werden. Hierfür seien öffentliche Investitionen notwendig, die – man lese und staune – über eine Vermögensabgabe von jährlich 2% auf alle Vermögen von mehr als 1 Mio. Euro finanziert werden könnten. Für Europa müsse ein solches Programm mittels eines Marshall-Plans aufgelegt werden.
Leider überwogen aber Sprüche wie diese: «Wir werden die Politik daran messen, ob sie den Kurswechsel in Wirtschaft und Gesellschaft mit Investitionsoffensiven, sicheren Arbeitsbedingungen und ökologischem Denken umsetzt», so nochmal Huber.
Die mit großem finanziellem und organisatorischem Aufwand vorbereitete «Strategie»-Tagung knüpfte an den legendären «Zukunftskongress» der IG Metall 1972 in Oberhausen an. Damals wurden die gesellschaftlichen Fortschrittserwartungen der Gewerkschaften in der Ära Brandt zum Ausdruck gebracht. Teilnehmer war u.a. auch Bundespräsident Heinemann. IGM-Vize Wetzel erinnerte jetzt an Heinemanns Satz von damals: «Die junge Generation kritisiert zu Recht das Ausmaß unserer Gedankenlosigkeit», und bilanzierte damit, wohl ungewollt, aber treffsicher, den eher zum Gähnen verleitenden Berliner Kongress.
Fast schon erfrischend war da der gegenwärtig in seiner Heimat unter Korruptionsverdacht stehende ehemalige brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio (Lula) da Silva, dessen Regierung auch eine sog. «Rentenrefom» durchgeführt hat. Die Renten wurden dabei gekürzt und Anreize zur Privatisierung der Rentenversorgung geschaffen. Das scheint den meisten Kongressteilnehmern nicht bekannt gewesen zu sein. Er begeisterte sie jedenfalls, als er ihnen zurief: «Seit ich sieben Jahre alt war, ist in meinem Land Krise.»
Lulas Botschaft an die versammelten Gewerkschafter war klar: «Nicht die Arbeitslosen, nicht die Armen, nicht die Arbeitnehmer sind schuld an der Krise, auch nicht die Menschen mit Migrationshintergrund.» Es seien die «großen Finanzkonzerne» gewesen, die die ganze Welt in diese Turbulenzen gestoßen hätten. Niemand solle in Europa den Griechen oder den Spaniern die Verantwortung für die Misere zuweisen, mahnte er. Eindringlich rief er zur Solidarität auf und zitiert eine G20-Erklärung, die außer seiner Unterschrift noch die der Staats- und Regierungschefs von China, den USA und Deutschland trägt: «Die Beschäftigten müssen im Zentrum all unserer Bemühungen stehen.»
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