Umkämpfter Fanblock
von Florian Osuch
Neonazis haben scheinbar wieder den Fußball als Propagandafläche entdeckt. In NRW fallen dabei Dortmund und die Region Aachen auf. In den vergangenen Monaten machten Neonazis mit Aktivitäten in und um bundesdeutsche Fußballstadien auf sich aufmerksam. Mehrere Vorfälle ereigneten sich bei Vereinen aus Nordrhein-Westfalen, insbesondere beim Erstligisten Borussia Dortmund sowie bei Alemannia Aachen aus der 3.Liga.
Beobachter der Neonazis in NRW wundert nicht, dass sich ausgerechnet bei diesen Vereinen rechte Fans unter das Publikum mischen und sich teilweise wie Fische im Wasser bewegen. Die Region Aachen sowie die Ruhrmetropole Dortmund samt Umland gelten als Hochburgen des Rechtsextremismus in NRW. Dort gibt es Kameradschaften, teils langjährig gewachsene Strukturen der Neonaziszene, und es finden regelmäßig Überfälle statt. Das NRW-Innenministerium verbot im Sommer dieses Jahres die «Kameradschaft Aachener Land» sowie den «Nationalen Widerstand Dortmund.» Insgesamt 900 Polizisten führten landesweit Razzien in Wohnungen und Räumlichkeiten von Neonazis dieser Gruppierungen durch.
In Dortmund auf der Südtribüne
Dieses Vorgehen scheint die Strukturen der Rechten in Dortmund zumindest zeitweise destabilisiert zu haben. Die Führungsriege organisiert sich neu und greift dazu auf die zuvor vom Hamburger Neonazi Christian Worch gegründete Partei «Die Rechte» zurück. Das Fußballumfeld der Rechtsextremisten hingegen, das vor allem aus jungen Männern besteht, die sich an keine Kameradschaft oder Partei binden, haben die Verbote offenbar weniger beeindruckt. Seit dem Spätsommer kam es bei Borussia Dortmund zu mehreren einschlägigen Vorfällen.
Zum Saisonauftakt gegen Werder Bremen entrollten Fans des amtierenden deutschen Meisters ein Solidaritätsbanner für die kurz zuvor verbotene Neonazikameradschaft. «Solidarität mit dem NWDO» (NWDO steht für «Nationaler Widerstand Dortmund») war auf dem Transparent auf der Südtribüne zu lesen. Zwei Personen, die das Banner hochgehalten haben sollen, wurden später identifiziert. Bei einem soll es sich um einen polizeibekannten 27-jährigen Rechten handeln.
Bei der ersten Runde des DFB-Pokals beim Spiel FC Oberneuland gegen die Schwarz-Gelben entrollten Angehörige der Gruppe «Northside Dortmund» ein Banner mit der Aufschrift «Rico Malt – unvergessen». Die Fans, die ihren Gruppennamen gleich mit auf das Transparent gemalt hatten, erinnerten an einen vor fünf Jahren verstorbenen Kampfsportler aus Sachsen. Es heißt, der Chemnitzer Rico Malt sei Mitglied der Gruppe «Hoonara Chemnitz» gewesen. Die Selbstbezeichnung «Hoonara» steht für «Hooligans, Nazis und Rassisten», einer inzwischen wohl aufgelösten berüchtigten Schlägertruppe.
Olaf Sundermeyer, Journalist, Buchautor und Kenner der rechten Szene, meint, dass auf der Dortmunder Südtribüne regelmäßig «60 bis 70 Neonazis stehen, mehrheitlich aus Dortmund, jedoch auch aus dem Umland oder sogar aus Hessen oder Niedersachsen. 20 bis 30 gehören zum harten Kern der rechten Szene der Stadt.» Das Stadion und das Umfeld sei «Rekrutierungsfläche. Dort gewinnen [die Neonazis] zentrale Teile ihres Nachwuchses», so Sundermeyer.
Offenes Bekenntnis
Bei der Partie der 2.Mannschaft der Borussia am 1.September in Erfurt waren bei den Dortmundern mehrere Schwarz-weiß-rote Fahnen des Deutschen Reichs zu sehen, wie sie regelmäßig bei Neonaziaufmärschen getragen werden. Beim Bundesligaauswärtsspiel gegen den Hamburger SV am 22.September hing ein Banner mit der Aufschrift «30 Jahre Borussenfront Dortmund – Ein Mythos stirbt nie» im Fanblock. Die Fangruppe war in den 80er Jahren bundesweit als rechte Krawallmacherin bekannt und galt später als aufgelöst. In letzter Zeit tauchen jedoch immer wieder Fans mit T-Shirts oder ähnlichen Bekundungen für die Truppe auf. Im Oktober, beim Revierderby gegen den FC Schalke 04, wurde der Kreischef der örtlichen NPD als Randalierer festgenommen.
Tim Müller, Journalist bei Reviersport-Online meint: «Die Plakate und die Berichte der Fans machen eines deutlich: Die Dortmunder Fanszene hat ein Problem. Rechtsradikale gab es auch in der Vergangenheit schon auf der Tribüne. Doch sie verhalten sich nicht mehr ruhig, sondern stellen ihre politische Einstellung immer öfter offen zur Schau.»
Die Dortmunder Ultras von «The Unity» scheinen offensiv mit dem Thema umzugehen und ließen verlautbaren, dass sie «Rassismus und Intoleranz genauso [verurteilen] wie staatliche Repressionen, Stadion- und Stadtverbote».
In Aachen
Beim Drittligisten Alemannia Aachen kommt es derweil zu offenen Auseinandersetzungen unter den Fans. Rechte Anhänger des Traditionsvereins – einige werden der Gruppe «Karlsbande» zugerechnet – griffen in diesem Jahr mehrfach antirassistisch eingestellte Fans der «Aachen-Ultras» an. Nach einem Auswärtssieg der Alemannia beim 1.FC Saarbrücken am 7.August gingen rechte Fans auf Anhänger der «Aachen-Ultras» los. Von einer «Hetzjagd» sprach später Max Bauer von einer Aachener Fan-Initiative. Der Einsatzleiter der Polizei, Peter Becker, äußerte gegenüber dem Fußballmagazin 11 Freunde: «Ich bin seit 25 Jahren in diesem Job tätig, so etwas habe ich noch nicht erlebt.» Bis zu einhundert Personen aus dem Umfeld der «Karlsbande» sollen nach dem Spiel auf 60 mitgereiste «Aachen-Ultras» losgegangen sein. Es kam auch zu Übergriffen im Heimstadion, Mitglieder der «Karlsbande» sollen während der Sommerpause Ultra-Anhänger an deren Wohnorten aufgesucht und verletzt sowie Autos beschädigt haben.
Beim Spiel zwischen dem SV Babelsberg 03 aus Potsdam und Alemannia Aachen führte der Konflikt zu skurrilen Szenen. Während Sicherheitskräfte in der Regel für größtmöglichen Abstand zwischen den Fangruppierungen der aufeinander treffenden Clubs bemüht sind, musste die Polizei die «Aachen-Ultras» vor Anhängern der eigenen Mannschaft schützen. «Das haben wir hier noch nie gesehen: es war mehr Polizei zwischen den Gästefans, als zwischen uns Potsdamern und den linken Ultras aus Aachen», sagte ein Babelsberger gegenüber der SoZ.
Inzwischen sind Banner und sonstige Symbole der «Karlsbande» im Stadion verboten. Das NRW-Innenministerium ist der Ansicht, dass der Aachener Fußballclub «von Neonazis für ihre Propagandazwecke» genutzt werde. Etwa 150 Personen werden der «Karlsbande» zugerechnet, einzelne hätten Verbindungen zur verbotenen «Kameradschaft Aachener Land», andere zur NPD. Minister Ralf Jäger (SPD) sagte: «Dieses Verhalten hat mit Fußballkultur nichts mehr zu tun, hier geht es ausschließlich um Randalieren und Terrorismus
Nur Lust an Krawall?
Das «Bündnis aktiver Fußballfans» (BAFF) stellte bereits im Sommer fest: «Es geht hier nicht um einen Konflikt zwischen zwei Fangruppen. Es handelt sich um den politisch motivierten Versuch rechtsoffener, rechter und neonazistischer Kreise, eine ihnen missliebige, antirassistische Gruppierung mit Hilfe von Gewalt mundtot zu machen, sie aus dem Stadion, der Fanszene und dem Umfeld der Alemannia zu vertreiben.»
Lars Spannagel, Fußballreporter für die Wochenzeitschrift Die Zeit schrieb im Oktober: «Besonders im Westen der Republik scheinen Rechtsextremisten und Neonazis den Fußball wieder für sich zu entdecken.»
Doch auch andere Vereine aus Westdeutschland haben ein Problem mit Neonazis unter ihren Fans. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt wegen Volksverhetzung gegen Fans des MSV Duisburg. Beim Zweitligisten seien Anhänger der «Division Duisburg» durch rassistische und antisemitische Parolen aufgefallen. Bereits im Februar 2012 überfielen etwa zwanzig Duisburger Hooligans den Kulturclub Djäzz. Damals feierten linke MSV-Fans zusammen mit Anhängern des FC St.Pauli bei einem Konzert der antifaschistischen Punkband Stage Bottles. Die Polizei verharmloste den Überfall und gab gegenüber einem Journalisten von Der Westen an: «Das sind keine rechtsgerichteten politischen Aktivisten, sondern Krawallmacher. Denen geht es in erster Linie um die Prügelei.»
Beim Zweitligarivalen Eintracht Braunschweig kennt man das Problem rechter Fans wohl schon länger. Im Herbst erschien eine 80seitige Broschüre mit dem Titel «Kurvenlage – Rechte Aktivitäten in der Fanszene von Eintracht Braunschweig». Die Autoren konstatieren, dass der Verein mit der Situation überfordert ist. Anfang Oktober hatten rund 100 Anhänger der «Ultras Braunschweig» ein Transparent «Keine Eintracht mit Nazis» hochgehalten. Nachdem sie von rechten Fans bedroht wurden, konnten sie das Stadion nur unter Polizeischutz verlassen.
Ausgewählte Links zum Thema:
Broschüre über rechte Fans bei Eintracht Braunschweig: http://nonazisbs.blogsport.de;
Bündnis aktiver Fußballfans: www.aktive-fans.de;
Football Against Racism in Europe: www.farenet.org
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