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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2013

Interview mit Detlev von Larcher

Elf Länder der Eurozone haben die Einführung einer Finanztransaktionssteuer beschlossen. Ist die Hauptforderung von Attac damit erfüllt? Die SoZ sprach mit Detlev von Larcher, Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern bei Attac und ehemals Mitglied im Koordinierungskreis.

Elf EU-Länder haben sich jetzt darauf geeinigt, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Die Finanztransaktionssteuer ist eine Gründungsforderung von Attac. Sieht Attac jetzt nun diese Forderung erfüllt?

Wenn die verstärkte Zusammenarbeit in der Form, wie die EU-Kommission sie jetzt vorgeschlagen hat für die elf willigen Länder wirklich zustande kommt, dann kann man sagen, die Gründungsforderung von Attac ist erfüllt, wobei es natürlich ein paar Pferdefüsse gibt.

Worin besteht der Vorschlag der Kommission und wo liegen die Pferdefüsse?

Die Kommission hat schon vor einem Jahr etwa vorgeschlagen, eine Steuer auf alle Geschäfte an den Finanzmärkten zu erheben. Die Steuerbasis ist ganz breit, sie umfasst Derivate, Hedgefonds, Wertpapiere, alle möglichen Institutionen, auch den außerbörslichen Handel. Die Kommission schlägt zwei Steuersätze vor: für Derivate 0,01% und für Aktien 0,1%. Die 0,1% sind höher, als was wir immer gefordert haben, auch in unserer jetzigen Kampagne "Steuer gegen Armut": Wir wollten 0,05% auf alles haben, jetzt gibt es halt diese Differenzierung. Damit können wir aber leben, und wir können von einem Erfolg der Kampagne sprechen.

Sehr bedauerlich ist, dass die Devisenspekulation nicht dabei ist. Das hat natürlich seinen Grund darin, dass nicht der ganze Euroraum die Finanztransaktionssteuer einführt, sondern nur elf Länder aus dem Euroraum. Die können nichts beschließen, was die anderen Euroländer belastet, die nicht mitmachen. Wir bekommen deshalb jetzt keine Tobin-Steuer, also keine Steuer auf die Devisenspekulation, was die ursprüngliche Forderung von Attac war. Die vielen anderen Finanzmarktgeschäfte sind lange nach der Gründung von Attac so richtig in Mode gekommen. Was jetzt vorgeschlagen wird, können wir schon einen Sieg der sozialen Bewegungen, der Zivilgesellschaft feiern.

Was noch bearbeitet werden muss – und da wollen wir dran bleiben, auch mit der Kampagne "Steuern gegen Armut", die inzwischen von 92 Institutionen unterstützt wird – , ist die Frage, wie die 36 Mrd. Euro, die mit der Steuer eingenommen werden, verwendet werden. Das ist auch unter den elf Ländern umstritten. Es gibt den Vorschlag, sie in den EU-Haushalt einzuspeisen, dieser Vorschlag ist im Moment vom Tisch, eben weil nicht alle EU-Länder mitmachen, da kann man nicht von einigen fordern, dass sie in den EU-Haushalt einzahlen, und von anderen nicht. Dann gibt es den Vorschlag, die Mittel für die Schuldentilgung zu verwenden, jedes Land für sich. Frankreich ist zum Teil auf unsere Forderungen eingegangen und sagt: 10% sollen in die Entwicklungshilfe gehen; andere Länder schließen sich dem Vorschlag ein bisschen an, wieder andere wollen das Geld nur in den eigenen nationalen Haushalt stecken. Wir haben gefordert, dass ein Drittel in die internationale Armutsbekämpfung gehen soll, ein Drittel in Klimaschutz und Biodiversität und ein Drittel in die nationale Armutsbekämpfung.

Luxemburg ist nicht dabei, was eine Steueroase ist und nicht die kleinste in Europa. Aber auch Länder wie Polen und Tschechien sind nicht dabei. Welche Auswirkung kann die Steuer letzten Endes tatsächlich auf die Bekämpfung der Krise haben?

Wenn du genau hinschaust, siehst du, dass der Kommissionsvorschlag nicht nur das Wohnsitzlandprinzip vorsieht, sondern auch das Ausgabeprinzip. Das Wohnlandprinzip schaut darauf, wo der Anteilseigner an einem Hedgefonds oder einem anderen Fonds seinen Wohnsitz hat, ist dies ein Land, in dem die Finanztransaktionssteuer erhoben wird, dann muss er Steuern zahlen.

Zusätzlich werden aber auch alle Vermögenswerte, die aus dem Geltungsbereich des Gesetzes stammen, registriert. Bei Aktien, Anleihen und börsengehandelten Derivaten ist das ohnehin schon der Fall. Für außerbörslich gehandelte Derivate wird gerade im Rahmen der Regulierung des Derivatehandels für die meisten Produkte der Handel über eine zentrale Clearingstelle mit Registrierungspflicht vorbereitet.

Sollte sich das Ausgabeprinzip durchsetzen, bedeutet dies, dass jeder Vermögenstitel, der aus dem Geltungsbereich des Gesetzes stammt, also deutsche Aktien, französische Anleihen, italienische Derivate, besteuert wird. Wenn dann eine japanische Bank einem US-Hedgefonds eine Volkswagenaktie verkauft, wird die Steuer fällig, egal wo das Geschäft abgewickelt wird. Das ist eine doppelte Sicherung.

Das geht auch technisch gut zu machen, weil alle Abrechnungen über ganz wenige Clearingstellen laufen. Die Steuer ist also gut abgesichert, und diejenigen, die immer sagen, naja, wenn nicht alle mitmachen, dann verlagert sich der Handel endgültig meinetwegen von Frankfurt nach London, die werden nicht recht behalten.

Ich glaube, es wird umgekehrt kommen. Wenn diese Steuer sich in den elf Ländern durchsetzt und Ertrag bringt und der sekundenschnelle Handel um 70% zurückgeht, wie der zuständige EU-Kommissar uns vorrechnet, weil er sich nicht mehr lohnt, wenn darauf Steuern bezahlt werden müssen, dann wird das eine Sogwirkung ausüben, und es werden mehr Länder dazukommen.

Wenn eure Gründungsforderung erfüllt ist, kann sich Attac dann auflösen?

(Lacht) Wir vertreten schon lange nicht mehr nur die Gründungsforderung, wir gehen jetzt massiv zu Felde gegen die geplante Bankenunion und die weitere Integration nach neoliberalem Muster. Vor elf Jahren schon haben wir in Florenz das internationale Netzwerk für Steuergerechtigkeit gegründet, das sich massiv gegen die Steuerflucht wendet. Insofern bleibt unser Focus auf die Finanzmärkte gerichtet, die Einführung der Finanztransaktionssteuer bedeutet noch nicht die endgültige Wende auf den Finanzmärkten.

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