Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2013
Der nun vorliegende Bericht dient nicht vorrangig der Bestandsaufnahme der tatsächlichen Vermögens- und Einkommensschere, er soll vor allem den Ausbau des Niedriglohnsektors in einem tendenziös positiven Licht darstellen und die tatsächliche Verarmung so gut wie möglich verschleiern. An drei Beispielen sei dies hier aufgezeigt.

Bei der Beurteilung der Einkommensentwicklung gehen Entwurf und Schlussbericht deutlich auseinander. Das entsprechende Kapitel im Entwurf trägt noch die Überschrift: «Sichere Arbeit ermöglichen und fair entlohnen» – also ein Eingeständnis, dass es unsichere Arbeit gibt, die nicht fair entlohnt ist. Im Entwurf heißt es dann weiter: «Auch bei einem Geringqualifizierten, der Vollzeit arbeitet, sollte der Verdienst zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen … Im Jahr 2010 arbeiteten in Deutschland knapp über 4 Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn unter 7 Euro.» Im FDP-zensierten Bericht lautet diese Passage: «Die unverhältnismäßige Ausbreitung von niedrig produktiver Beschäftigung und dementsprechenden Löhnen, die nicht mehr ausreichen, um den Lebensunterhalt selbst in Vollzeitbeschäftigung zu sichern, ist kritisch zu sehen. Andererseits hat der Niedriglohnsektor wesentlich zum Beschäftigungsaufbau der vergangenen Jahre beigetragen und vielen Geringqualifizierten die Chance gegeben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Rund 4 Millionen Menschen sind derzeit in Branchen beschäftigt, in denen Mindestlöhne gelten.»

Die 4 Millionen, die für einen Bruttolohn unter 7 Euro die Stunde arbeiten, sind nicht dieselben wie die 4 Millionen, die in Branchen mit Mindestlohn arbeiten. Über den Skandal nicht existenzsichernder Löhne geht der Schlussbericht mit dem allgemeinen Verweis darauf, dass es auch Branchen mit Mindestlöhnen gibt, hinweg.

Der Entwurf ringt sich noch zur Erkenntnis durch: «Die unteren Löhne sind in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken … die unteren 40% der Vollzeitbeschäftigten haben reale Entgeltverluste verzeichnet.» Die FDP schreibt in den Bericht: «Die Einkommensspreizung hat seit 2006 nicht weiter zugenommen. Auch gehört Deutschland zu den Staaten, in denen die Ungleichheit der Markteinkommen mit am stärksten durch Steuern und Sozialtransfers reduziert wird … Das mittlere monatliche Bruttoerwerbseinkommen von Vollzeitbeschäftigten lag preisbereinigt im Jahr 2011 auf demselben Niveau wie 2007.» Und kommt zum zynischen Ergebnis: «Die sinkenden Reallöhne in den unteren Dezilgruppen sind auch Ausdruck struktureller Verbesserungen.»

Während der Entwurf positiv hervorhebt, dass «branchenspezifische Mindestlöhne nicht zum Abbau von Beschäftigung geführt haben», hat die FDP diesen Satz gestrichen und statt dessen formuliert: «In Deutschland findet derzeit eine Diskussion statt, ob und inwieweit branchenspezifische Mindestlöhne durch eine gesetzliche allgemeine verbindliche und angemessene Lohnuntergrenze flankiert (!) werden sollen. Die Meinungsbildung ... ist innerhalb der Regierungskoalition nicht abgeschlossen.»

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