Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2013

So wenig Steuern wie möglich
von Dieter Braeg

Bei den Landtagswahlen in Kärnten und Niederösterreich am 3.März 2013 stellte sich das Team Stronach erstmals zur Wahl und erzielte 11,3% in Kärnten und 9,8% in Niederösterreich.  Obwohl die Partei bisher kein Programm hat (es soll im April präsentiert werden) kämpft es mit neoliberalen Schlagworten, garniert mit großer EU-Skepsis.

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Die FDP ist nicht mehr im Bundestag, die 5%-Hürde war zu hoch. Da findet sich ein edler Helfer, ein Milliardär, er bietet «Überläufergeld» an. Aus der Fraktion der SPD und der CDU/CSU wechseln fünf Abgeordnete, die schon lange mit dem Clement/Sarrazin-Virus infiziert sind, zur FDP und sind dann im Bundestag die FDP-Fraktion!

Utopie? Nicht in Österreich. Der Milliardär Frank Stronach, Gründer des Magna-Konzerns, ist erst seit Sommer 2012 politisch aktiv. Um Klubstatus (Fraktionsstatus) zu erhalten, angelte er nach Abgeordneten anderer Parteien. Von SPÖ und BZÖ wechselten im Herbst genügend Parlamentsabgeordnete zum neu gegründeten «Team Stronach», das seither ungewählt im Nationalrat sitzt. Rund 7,6 Millionen Euro – mehr als ein Nationalratswahlkampf in Österreich laut Gesetz kosten darf – hat Frank Stronach bisher in seine Partei investiert.

In jungen Jahren hieß Frank Stronach noch Strohsack. Der Erfolg für den ausgebildeten Werkzeugmacher begann 1957. Damals gründete er die Firma Multimatic in Kanada, wohin er ausgewandert war. Im Jahre 1969 gab es eine Fusion mit Magna Electronics und es entstand Magna International, heute weltweit der drittgrößte Zulieferer der Automobilindustrie mit einem Umsatz von 24 Mrd. US-Dollar (2008). Erwirtschafteter Gewinn: 71 Mio. Dollar. 74350 Frauen und Männer werden in 240 Produktionsbetrieben beschäftigt, dazu unterhält Magna auch noch 86 Entwicklungszentren. Nur Denso und Bosch sind noch größere Zulieferer der weltweiten Automobilindustrie.

Seiner eigenen Klasse gegenüber begegnet der Milliardär, der sich selbst für einen der besten Wirtschaftsmanager der Welt hält, mitunter mit Misstrauen: «Wir müssen aufpassen, dass nicht ein paar Reiche daherkommen und sagen: Ich kauf mir alle Wählerstimmen», denn: «Ich bin ein Mann des Volkes, ich komme aus der Arbeiterschaft.» Also darf er mit der Macht seiner Milliarden ein wenig Politik spielen. «Die SPÖ hat die Arbeiter ja verkauft.»

Auch die bürgerliche ÖVP bekommt ihr Fett weg. Sie sei eine «Bankenpartei», Erwin Pröll, der ÖVP-Landeshauptmann von Niederösterreich, der «größte Schmähtandler». Breitseite auch  gegen Angela Merkel: Entweder ist sie «so dumm, dass sie nicht versteht, oder sie spielt mit den Banken mit».

Ein Wahlprogramm gibt es noch nicht, aber schon einige «programmatische» O-Töne:

Armut: «Eine Gesellschaft kann daran bemessen werden, wie sie sich um die ärmsten Leute kümmert, die sich aus irgendeinem Grund selbst nicht helfen können. Wir sind für eine Sozialkarte statt der Mindestsicherung. Mit dieser Karte kannst du Brot, Milch, Butter, Kartoffel und alle Lebensmittel kaufen, die man für den Alltag braucht. Aber du kannst kein Geld für Alkohol oder Zigaretten verplempern. Das bekommst du mit der Karte nicht.»

Reichensteuer: «Wenn wir die besten Manager und Unternehmer zu hoch besteuern, gehen sie weg aus Österreich. Und dann wird alles noch schwieriger. Wir brauchen die Arbeitsplätze in unserem Land. Wir sollten weniger daran denken, wie der Staat zu noch mehr Steuereinnahmen kommt, sondern eher daran, wie wir die Kosten der Verwaltung reduzieren können. Wir sind für einen zivilisierten Abbau der Verwaltungskosten von 5% pro Jahr über die nächsten fünf Jahre. Wir sollten so viel Steuern wie notwendig, aber so wenig wie möglich zahlen. Wir müssen die große soziale Kluft zwischen Arm und Reich verringern. Aber das geht nicht durch Umverteilung, sondern indem wir schauen, dass sich die Menschen etwas erwirtschaften können. Deshalb bin ich dafür, dass Unternehmer ihre Mitarbeiter am Gewinn der Firma beteiligen.»

Gewerkschaften: Stronach braucht keine Gewerkschaften, «Magna ist groß geworden ohne Gewerkschaften». In Rente kann jeder gehen «wann er will» – wobei der Staat festlegt, wie viel bezahlt wird. Man muss nicht mit 60 Jahren in Rente gehen: «Du kannst zum Beispiel bis 82 Bestseller schreiben.»

Der typische Stronach-Wähler in Niederösterreich ist männlich und frustriert. Dreimal soviel Männer wie Frauen wählten den Milliardär hier. Um Wien herum war er besonders erfolgreich und mobilisierte mehr als ein Drittel der Nichtwähler.

In Kärnten bekam seine Partei von Jungen (unter 30) den meisten Zuspruch. Dort kassierten Haiders Nachfolger die schwerste Niederlage seit Jahrzehnten und schrumpften von 44,9% auf 17,1%. Mit Parolen wie «Das Boot ist voll» bediente Stronach die FPÖ-Klientel.

Bei der Nationalratswahl im Herbst will Frank Stronach sich als Spitzenkandidat aufstellen lassen. Wenn er auch da einen Wahlerfolg um die 10% einfährt, könnte es sein, dass die Sozialdemokratie samt Grünen in die Opposition geschickt wird und ein populistisches Bündnis aus ÖVP, FPÖ und dem Team Stronach den weiteren Niedergang demokratischer Strukturen in Österreich betreibt. Das Nachbarland Ungarn ist ja ein großes Vorbild!

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