von Salvatore Cannavò
Die vergangenen Parlamentswahlen in Italien haben erneut einen Bruch im politischen System gebracht. Die Kandidaten der Troika wurden abgestraft, von der «radikalen» Linken ist parlamentarisch nichts übriggeblieben. Dafür hat es eine Antiparteienbewegung, die ausdrücklich gegen das politische Establishment aufgetreten ist, zur landesweit drittstärksten Kraft gebracht. Das Wahlforschungsinstitut Istituto Cattaneo hat das Wahlergebnis auf der Basis der absoluten Stimmen analysiert und kommt zu folgenden Ergebnissen.
Der große Wahlverlierer heißt Silvio Berlusconi. Im Vergleich zu den Wahlen 2008 hat er 6.296.744 Stimmen verloren, fast 50%. Die einzige Region, wo seine Verluste signifikant unter dieser Marge lagen, ist der Nordosten: hier verlor er im Durchschnitt 30%.
Auch die Lega Nord hat heftig Federn gelassen, vor allem in den «roten Regionen», wo sie bei den Parlamentswahlen 2008 und den Europawahlen 2009 noch Durchbrüche erzielt hatte: In Mittelitalien verlor sie 60,8%, im Nordosten 61%, im Piemont 64,3%, in Ligurien 68%, nur in der Lombardei sind ihre Verluste «geringer» (–44%).
Berlusconi kann sich nur freuen, weil auch die Demokratische Partei (PD, hervorgegangen aus der früheren KP) eingebrochen ist: In der Abgeordnetenkammer hat sie eine Mehrheit nur dank des Sitzbonus, der der stärksten Partei gewährt wird (und stärkste Partei ist sie nur mit einem hauchdünnem Vorsprung geworden); bei den Wahlen zum Senat ist sie auch stärkste Partei geworden, da gilt diese Regel aber nicht, weshalb sie im Senat keine eigenen Mehrheit zustande bringt. [Abgeordnetenkammer und Senat haben ähnliche Zuständigkeiten, sie können einander also blockieren.]
Im Vergleich zu 2008 hat die PD 3.435.958 Stimmen verloren, 28%. Die größten Verluste fuhr sie in Süditalien ein, vor allem in der adriatischen Regionen dort, die ökonomisch dynamischer sind: Apulien (–44,8%), Basilicata, Kalabrien (–39,4%) und Abruzzen (–36%). Hier wurde die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo jeweils stärkste Partei.
Shooting Star Grillo hat 8.689.458 Stimmen geholt, die sich ziemlich gleichmäßig auf das gesamte Staatsgebiet verteilen, mit leichtem Übergewicht im Süden (2,4 Millionen), 2,1 Millionen im Nordwesten und 1,6 Millionen in den «roten» Regionen. Grillo hat von allen Parteien Stimmen geholt: von Berlusconi, der Lega, der PD. Besonders große Sprünge machte er dort, wo sowohl Mitte-Rechts als auch Mitte-Links besonders stark eingebrochen sind.
Der Technokraten-Premier Monti hat 3,6 Millionen Stimmen geholt, deutlich mehr als der Kandidat der bürgerlichen Mitte (UDC), Pierferdinando Casini, 2008 (2 Millionen). Spitzen verzeichnete Monti im Trentino, in der Lombardei und in Ligurien, im Süden schnitt er schwach ab. Politisch blieb sein Ergebnis hinter den Erwartungen zurück, aber die «Mitte» ist dadurch stärker geworden.
Die «radikale Linke» hat gegenüber 2008 640.000 Stimmen verloren. Dazu zählten damals die Regenbogenlinke, PdCI und Sinistra Critica. Letztere ist diesmal nicht mehr angetreten. Das nach rechts verschobene Wahlbündnis umfasste 2013 Rifondazione, PdCI, Grüne, «Italien der Werte» (Antonio di Pietro) und die Orange Bewegung und erhielt nur noch 2,3%. Zu diesen Verlusten muss man jedoch die 1,5 Millionen Stimmen hinzuzählen, die «Italien der Werte» 2008 allein holte.
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