Ein Beitrag zur Debatte
«Kommt nach vorne!», appelliert der Aufruf für den diesjährigen Euromayday Ruhr. «Weil wir genug davon haben, von Erwerbsarbeit nicht leben zu können, uns von Behörden drangsalieren zu lassen, gedemütigt und erpresst zu werden … Arbeiten und gleichzeitig zum Sozialamt gehen müssen darf nicht länger sein! Aus Angst vor Erwerbslosigkeit alles hinnehmen, auch Demütigung und Konkurrenz, darf nicht länger sein! Bedingungsloses Grundeinkommen wär’ schon mal was.» Das bGE verspricht, den Niedriglohnsektor wieder abzuschaffen und die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt endlich zu beenden. Hält es das Versprechen auch?
Die Diskussion um ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen ist in der linken Debatte nicht neu. Erstmalig wurde es im Jahr 1796 vom linksliberalen Thomas Spence im Rahmen einer Vergesellschaftung des Grundbesitzes vorgeschlagen.
Spence plädierte in den Jahren nach der Französischen Revolution für die Enteignung des Landadels, die Verpachtung des nunmehr wieder Gemeingut seienden Bodens an Bauern und die Auszahlung der Pachterlöse an alle Mitglieder des Gemeinwesens zu gleichen, ausreichend hohen Teilen. Darüber hinaus sollten aus den Pachterlösen öffentliche Infrastrukturen und Dienstleistungen finanziert werden. Außerdem hatten ab sofort alle Mitglieder des Gemeinwesens (auch die Frauen!) Mitbestimmungsrechte über die Verwendung der Mittel für die öffentlichen Ausgaben.
Im Jahr 1982 forderte in Deutschland erstmals die unabhängige Erwerbslosenbewegung ein Grundeinkommen, das sie Existenzgeld nannte. Inzwischen gibt es ein kaum noch überschaubares Spektrum linker Befürworterinnen eines Grundeinkommens. In der Partei Die LINKE existiert seit 2005 eine BAG Grundeinkommen.
Der gemeinsame Nenner eines linken Ansatzes für ein bedingungsloses Grundeinkommen (bGE) ist die Forderung nach einer Grundabsicherung eines jeden Menschen, welche die Menschenwürde achtet und repressions- und voraussetzungsfrei gewährt wird. Das bGE ermöglicht damit die freie Verfügung jedes Menschen über sein Leben und die schrittweise Überwindung seiner Abhängigkeit vom Markt und dessen Verwertungsgesetzen.
Mit dem bGE verbindet sich Freiheit von sozialer Not und Freiheit zu selbstbestimmter Aktivität, Freiheit zur Entwicklung solidarischer und ökologisch nachhaltiger Ökonomie und zur Muße. Arbeitszwang als Ausdruck autoritärer bzw. totalitärer Regime wird grundsätzlich abgelehnt. Erwerbsarbeit gilt als eine von vielen Tätigkeiten und Formen gesellschaftlicher Teilhabe, aber nicht als die zentrale. Allerdings – und das ist politisch gewollt: Durch ein Grundeinkommen wird die gesellschaftliche Position und Autonomie der von Lohnarbeit Abhängigen enorm gestärkt.
Das bGE befördert die erfolgreiche Durchsetzung von Mindestlöhnen und Arbeitszeitverkürzung, ebenso die ökonomische Besserstellung und Unabhängigkeit der Frauen. Allerdings sind flankierende Maßnahmen wie ein gesetzlicher Mindestlohn, gleicher Lohn für gleiche Erwerbsarbeit von Frauen, gesetzliche und tarifpolitische Instrumente zur Umverteilung der Erwerbsarbeit nötig. Das Grundeinkommen ist die Basis für den Ausbau öffentlicher Infrastruktur und des Sozialversicherungssystems und bedeutet somit eine qualitative Weiterentwicklung des Sozialstaats.
Das Modell der Linkspartei
Das bGE-Modell der BAG bei der Linkspartei sieht für jeden Menschen ab 16 Jahren ein individuelles, nicht an eine Bedürftigkeitsprüfung und nicht an einen Zwang zur Arbeit oder sonst einer Gegenleistung gebundenes, garantiertes und existenzsicherndes Grundeinkommen vor. Diese vier Kriterien unterscheiden es von anderen Modellen wie dem von Dieter Althaus oder Götz Werner.
Die Höhe des Grundeinkommens richtet sich nach dem Volkseinkommen: 50% davon sollen als bGE ausgezahlt werden. Für das Jahr 2007 wurden monatlich 2010 Euro (bzw. 505 Euro für die U-16) berechnet. Das Grundeinkommen ist mit weiteren Transfereinkommen wie Wohngeld oder Mehrbedarfen für Schwangere, chronisch Kranke, Behinderte voll kumulierbar. Aber auch mit Vermögen, denn es wird unabhängig vom Vermögen gezahlt, und mit Kapitalumsatzsteuern (Börsenumsatzsteuer, Sachkapitalabgabe, Finanztransaktionssteuer, Luxusumsatzabgaben).
Es kombiniert sich mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro die Stunde, mit einer solidarischen Bürgerversicherung, die die bestehenden Bemessungsgrenzen abschafft, einer Rentenversicherung, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch einzahlen, und einer Erwerbslosenversicherung, für die auch Selbständige Beiträge zahlen.
Das bisherige Steuersystem bleibt bestehen. Das bGE selbst ist steuerfrei. Auf alle Einkommen aus Arbeit, Mieten und Zinsen, Dividenden etc. (Primäreinkommen) wird eine einheitliche Grundeinkommensabgabe von 35% erhoben. Ab einem Primäreinkommen von 1000 Euro wird eine Steuer erhoben, die mit einem Satz von 7,5% anfängt und dann linear progressiv steigt bis zu einem Satz von 25% ab einem (primären) Monatseinkommen von 5000 Euro. Ab 5000 Euro Primäreinkommen gilt also ein Steuersatz von 60%.
www.die-linke-grundeinkommen.de
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