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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2013

Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution. Münster: Edition Assemblage, 2012. 128 S., 9,80 Euro
von Rahel Wusterack

Der breite Zugang von Frauen zur Lohnarbeit hat bisher nicht zur vollständigen Gleichstellung von Frauen und Männern geführt. In der Regel wird dieser Umstand damit erklärt, dass derartige Umbrüche Zeit benötigen. Dann folgt meist ein leicht rechtfertigend anmutender Verweis auf die immensen Fortschritte der letzten Jahrzehnte. Politik, Wissenschaft und die öffentliche Meinung sehen das Bemühen, Frauen in Arbeit zu bringen, nach wie vor als Königsweg zur Gleichstellung der Frau. Dafür sollen Frauen inzwischen nicht mehr einfach nur arbeiten, sondern dies gefälligst auch in Führungspositionen und in den Naturwissenschaften tun.

Silvia Federici, New Yorker feministische Aktivistin und emeritierte Professorin für politische Philosophie, liefert mit dem schmalen Band Aufstand aus der Küche eine andere Perspektive. Der Band enthält drei erstmals auf Deutsch erschienene Essays der marxistisch geprägten Feministin. Sie erläutert darin, warum die eingangs skizzierte Strategie grundsätzlich zu kurz greift.

Federicis Ausgangspunkt ist die Marsche Unterscheidung zwischen Reproduktions- und Produktionsarbeit. Produktionsarbeit ist das, was wir gewöhnlich unter Arbeit verstehen. Reproduktionsarbeit hingegen ist die – meist unbezahlte – Arbeit, die zur Herstellung und Wiederherstellung von Arbeitskraft benötigt wird. Dazu zählen Hausarbeit, Kindererziehung, sowie, in Federicis Worten, «die physische, emotionale und sexuelle Wartung der Lohnverdiener».

Global betrachtet wird Reproduktionsarbeit nach wie vor hauptsächlich von Frauen geleistet. In fast allen Fällen wird diese nicht oder sehr schlecht bezahlt. Dieser Zustand erscheint legitim, weil Reproduktionsarbeit als «Arbeit aus Liebe» und naturgegebene Frauenarbeit mystifiziert wird. Doch das ist nicht alles: Durch die ausbleibende Entlohnung der Reproduktionsarbeit wird ihr Ausmaß und ihre Wichtigkeit für die Stabilität der bestehenden Gesellschaftsordnung unsichtbar. Federici zufolge ist die Trennung der beiden Arbeitsformen jedoch konstitutiv für die kapitalistische Wirtschaftsordnung. Die Akkumulation, also Vermehrung von Kapital, ist auf die ihr zugrundeliegende unbezahlte Arbeit angewiesen. Erst durch diese lohnt sich das kapitalistische Wirtschaften überhaupt richtig. Die sexistische Ideologie, Reproduktionsarbeit als natürliche Aufgabe der Frau anzusehen, stützt also unser Wirtschaftsmodell.

Federici bleibt in ihren Essays nicht bei der Kritik und beim Aufzeigen von Diskriminierungsmechanismen gegenüber Frauen stehen. Sie ordnet Sexismus in eine umfassendere antikapitalistische und globalisierungskritische Perspektive ein. Sie schafft damit eine fruchtbare Verbindung von linker Kapitalismuskritik und feministischer Theorie. Es werden wichtige Zusammenhänge deutlich und Perspektiven für linksfeministische Alternativen zur bestehenden Gesellschaftsordnung aufgezeigt.

Eine klare Leseempfehlung für alle, die die bestehende globale Gesellschaftsordnung mit ihren Hierarchien zwischen Geschlechtern, Klassen und Ethnien und die wirtschaftlichen Hintergründe besser verstehen wollen. Und – last but not least – für alle Frauen, die trotz 40-Stunden-Woche den Haushalt immer noch allein schmeißen.

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