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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2013
Nicht alles, was sauber aussieht, ist es auch
von Rolf Euler

Wer längere Zeit nicht in Paris war, staunt über eine auffällige Erscheinung im Straßenbild: Alle paar hundert Meter stehen an Straßenecken silber-graue kleine Autos mit einem Kabel an Ladestationen, es sind Elektroautos von «Autolib’», man kann sie in der ganzen Stadt mieten. Autolib’ hat 570 Ladestationen, man registriert sich bei einer Niederlassung, mietet so ein Auto für 10 Euro am Tag oder 15 Euro die Woche und gibt es an irgendeiner Ladestation wieder zurück. Nebelnden Stationen von Autolib’ gibt es Belieb’, Fahrradverleihstationen. Hier kann man für 1,70 Euro/Tag oder 8 Euro pro Woche ein – allerdings nicht elektrisches – Fahrrad mitnehmen und ebenfalls an einer der Stationen zurückgeben. Alles in allem ein Verkehrsmittelangebot für eine vom Verkehr überfüllte Stadt, wie es anderswo noch nicht existiert.

Die Autos fahren rein elektrisch, ohne Lärm und ohne lokalen Schadstoffausstoß – für die Stadt sicher eine Verbesserung, wenn man schon auf Automobilität setzen will. Aber es stellt sich natürlich sofort die Frage, wo der Strom denn herkommt und mit welchen Umweltbelastungen er erzeugt wurde? Da ist Elektromobilität in Frankreich, wo 70% des Stroms aus Atomkraftwerken kommen, sicher problematisch.

Vor- und Nachteile

Renault, Peugeot, inzwischen auch Daimler-Benz (Smart) und andere Hersteller setzen auf neu entwickelte Elektroautos. In den USA wurde bereits vor zehn Jahren der Tesla professionell hergestellt. Toyota hat seit Jahren Erfahrungen mit Hybridantrieben, bei denen der Elektromotor die kurzen Strecken bei niedriger Geschwindigkeit fährt, während der Benzinmotor auf langen Strecken, bei höheren Geschwindigkeiten und für das Laden der Akkus eingesetzt wird. Der durchschnittliche Benzinverbrauch ist dabei natürlich niedriger, als wenn nur ein Verbrennungsmotor eingesetzt wird.

Der Elektromotor hat im Verkehr entscheidende Vorteile: Er braucht kein Getriebe, das höchste Drehmoment wird bereits bei der ersten Umdrehung erreicht. Er nutzt die eingesetzte Elektroenergie zu 90% zum Vortrieb – beim Verbrennungsmotor sind es nur 30–40%. Er hat auch Nachteile: Man braucht zusätzliche Batteriekapazität für alle Hilfsaggregate im Auto wie auch für die Heizung. Der größte Nachteil des Elektromotors im Auto sind Gewicht, Größe, Ladekapazität und Kosten der Batterien.

Damit stellt sich die Frage, wie der Strom erzeugt wird, der zum Laden der Akkus gebraucht wird, und wer die Kosten der teuren Speicherung im Auto tragen soll; das Mietmodell in Paris wird von den Elektrizitätswerken und Batterieherstellern gesponsert.

Der deutsche Strommix 2011 mit rund 18% Kernenergie (Tendenz abnehmend), 18% Steinkohle, 24% Braunkohle, 14% Erdgas, 5% Sonstige und 21% erneuerbaren Energien (Tendenz steigend) zeigt, dass Elektromobilität auch bei uns nur mit erheblichen Umweltbelastungen zu haben ist.

Elektroautos werden geplant, um dem angeblichen Bedarf an Individualverkehr zu entsprechen und diesen umweltfreundlicher zu machen bzw. Erdöl zu sparen. So soll die Klimabilanz aufgebessert werden. Reine Elektroautos schaffen aber unter dem gegebenen Strommix im CO2-Schadstoffausstoß nicht viel bessere Werte als die besten kleinen Dieselautos.

So ist es kein Wunder, dass die E-Autos besonders von den großen Stromkonzernen gepusht werden: Vattenfall leiht an Besucher E-Autos aus, z.B. um den Braunkohle-Tagebau zu besichtigen; RWE hält Stromtankstellen an öffentlichkeitswirksamen Orten parat und sponsert den Kauf oder das Stromtanken. Die Konzerne rechnen damit, dass E-Autos vor allem viel Strom brauchen, denn ihre Reichweite liegt oft bei nur 100–150 km und wenn sie stehen, hängen sie an den Ladestationen bzw. an der Steckdose zu Hause.

Die Interessen der Konzerne

Greenpeace hat Studien ausgewertet, die bei bestehendem Strommix – also unter Einbeziehung des auslaufenden Atomstromanteils – kleinen Elektroautos sogar mehr CO2-Emissionen zurechnen als etwas größeren sparsamen Diesel- oder Benzinautos.* Planungen, die Batterien von E-Autos als Pufferspeicher für Stromspitzen bei der Erzeugung regenerativen Stroms zu nutzen, verlangen hohe Vorabinvestitionen in intelligente Netze, computergesteuerte Ladestationen und teure Batterietechnik – all das steht in weiter Ferne.

E-Autos würden allerdings – gemessen an der Norm, nach der in der EU der Spritverbrauch und der CO2-Ausstoß der Autos gemessen wird – den Durchschnittsverbrauch eines Herstellers über alle Typen hinweg mindern und den Konzernen damit erlauben, weiterhin große schnelle Autos zu bauen, deren hohe Verbräuche in der Durchschnittsbetrachtung «verschwinden». So zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Propaganda für E-Autos vor allem den Stromkonzernen und der Auto-Industrie nutzt, die einen neuen Markt sehen, und mitnichten den Ausstieg aus klimaschädlicher Stromproduktion bzw. den Ausstieg aus dem Auto als Individualverkehrsmittel fördert.

Wer über Elektromobilität redet, sollte auch nicht verschweigen, dass viele Städte ihre Straßenbahnen abgeschafft oder ausgedünnt haben. Dass die Bahninfrastruktur seit Jahren durch Streckenstilllegungen verkleinert wurde. Dass kaum neue Güterverkehrsverbindungen gebaut werden, die Bahn stattdessen Milliarden in den Personenfernschnellverkehr investiert, der bisher kaum zur Einsparung von Individualverkehr geführt hat. Über eine Nah-Schnellverkehrsverbindung zwischen den großen Ruhrstädten, den RRX, wird seit Jahren geredet, ohne dass es konkrete Planungen gäbe. Sie wäre ein echter Ersatz für den regionalen Autoverkehr, wie auch der zunehmende Lkw-Verkehr auf die Bahn verlagert werden könnte – auch das ist Elektromobilität!

Sicher ist allein die Vermeidung von Lärm und Abgasen in Städten durch E-Autos ein Fortschritt. Aber die Konzerne sollten bei diesen gesponserten Modellen nicht so tun, als ob damit Schadstoffe eingespart würden, wenn gleichzeitig große Kohlekraftwerke ans Netz gehen, oder wie in Frankreich, Atomstrom verwendet wird. Und wenn gleichzeitig die Einspeisung von erneuerbaren Energien behindert, Speicherlösungen verzögert und Lobbyarbeit gegen die Verschärfung von Umweltauflagen betrieben wird.

*www.greenpeace.de/themen/verkehr/auto_klima/artikel

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