Petra Ivanov: Tatverdacht. Berlin: Unionsverlag, 2013. 472 S., 13,95 Euro
von Udo Bonn
Der Kabarettist Volker Pispers wundert sich bis heute, warum es in Griechenland in Anbetracht der Finanznot nicht gelingt, die Steuern der Reichen und Begüterten einzuziehen. Sein Vorschlag: In den Villenvororten einfach von Haus zu Haus gehen, an den Türen klingeln, und wenn dann niemand öffnet, davon ausgehen, dass die Immobilie ohne Besitzer ist. Dann wird sie mit Hilfe eines kräftigen Baggers renaturiert. Pispers geht davon aus, spätestens nach der dritten Aktion werden die Eigentümer sich melden und bereitfinden, ihre Steuer zu zahlen.
Petros Markaris hat 2011 den Roman Zahltag in seinem Heimatland veröffentlicht. In seinem siebten Krimi um den Athener Kommissar Kostas Charitos erscheint ein nationaler Steuereintreiber, der die Steuerbetrüger vor die Alternative stellt: zahlen oder sterben. Nach den ersten Toten und entsprechenden Veröffentlichungen im Internet, und dann auch in der Presse, kommt die Angelegenheit ans Laufen, die ersten Zahlungen treffen bei der Behörde ein. Während die von der Troika und der Regierung geprügelte Bevölkerung endlich ihren Robin Hood auf den Plätzen feiern kann (endlich einmal sind die Straßen von Demonstranten in guter Stimmung und voller Hoffnung gefüllt) und selbst die eher konservative Ehefrau des Kommissars auf einen verspäteten Zugriff ihres Mannes hofft, rotieren die Ministerien: Alle bisherigen Gesetze und Erlasse haben keinen Euro mehr in die Staatskassen gebracht und dann kommt so einer. Der kurze Hoffnungstraum der gebeutelten Menschen verrinnt mit der Aufklärung der Morde, während sich die Tochter der Familie Charitos entscheiden muss, ob sie einen Job in Afrika annimmt oder in ihrer Heimat bleibt. Die Hilfe kommt von einem alten Kommunisten.
Nach dem Ausscheiden von Thomas Wörtche als Herausgeber der Metroreihe im Schweizer Unionsverlag habe ich deren Veröffentlichungen aus dem Auge verloren, so auch fünf Kriminalromane von Petra Ivanov. In ihrem sechsten Band Tatverdacht wechselt Ivanov das Personal. Die Hauptpersonen sind nicht mehr eine Staatsanwältin und ein Kriminalpolizist, sondern die ehemalige Polizistin Jasmin Meyer und der Anwalt Pal Palushi. Beide sind sich eigentlich sehr zugetan, aber nach einer brutalen Entführung der Polizistin hat sie den Job aufgegeben und die Brücken zu ihren Freunden abgebrochen. Bis Palushi den Auftrag übernimmt, den Swisscoy-Soldaten Fabian Zaugg zu verteidigen, der während seines Dienstes im Kosovo eine junge Frau vergewaltigt haben soll. Fabian Zaugg ist bei den Befragungen durch den Anwalt völlig unzugänglich, und jedes Indiz deutet darauf hin, dass er der Täter ist.
Deshalb bietet Palushi Jasmin Meyer an, sie als Rechercheurin einzustellen. Sie nimmt die Arbeit an, um nach einem Jahr ihrer selbstgewählten Isolation zu entkommen. Sie bricht in den Kosovo auf, um im Camp Casablanca zu ermitteln und kommt in eine Region, wo auf einen Schlag nicht mehr klar ist, wem sie vertrauen kann und wem nicht. Gleichzeitig kämpft Besarta Sinani, die in der Bar im Soldatencamp gearbeitet hat und von Zaugg vergewaltigt worden sein soll, gegen die Traditionen, die spätestens in der neuen Zeit ausschließlich Unterdrückung bedeuten, und für ihr Kind. Und dann spielt auch noch die Schweizer Sozialversicherung eine banale, böse Rolle.
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