Nach nur elf Monaten ist nun auch der österreichische Schlecker-Nachfolger Dayli insolvent und damit 3400 Beschäftigte arbeitslos. Die Umstände sind burlesk.
Es gilt die Unschuldsvermutung. Kein Satz war in den letzten Jahren in der innerösterreichischen Wirtschafts- und Politikberichterstattung so oft zu lesen (zunächst im Zusammenhang mit Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser). Nun wird er wieder verwendet, und zwar im Zusammenhang mit der Pleite des Schlecker-Nachfolgers Dayli.
Doch der Reihe nach. Nach dem Aus von Schlecker Deutschland übernahm der Investor Rudolf Haberleitner über seine Firma TAP 09, eine sog. Restrukturierungsgesellschaft oder Private-Equity-Firma, die Schlecker-Filialen in Österreich, Italien, Polen, Belgien, und Luxemburg. Der Kaufpreis ist nicht bekannt. Haberleitner hatte Großes vor, eine ganz neuartige Geschäftsidee.
Die ersten Probleme gab es bereits mit dem gewünschten Namen, «daily», da dieser markenrechtlich nicht schützbar war, griff man auf die Schreibweise «dayli» zurück. Es sollte eine neue Art der Nahversorgung geben, in den Regalen eine Mischung aus frischen Lebensmitteln, daneben Kosmetika, Zigaretten, Büromaterial, darüber hinaus sollten auch Dienstleistungen angeboten werden. Haberleitner holte einen ehemaligen dm-Manager ins Boot, im November stieg auch der Glücksspielkonzern Novomatic mit 50% bei Dayli ein. Beflügelt gab Haberleitner im Dezember 2012 an, auch in Deutschland 600 ehemalige Schlecker-Filialen reaktivieren zu wollen.
Die erste neuartige Filiale eröffnete Januar 2013. Als das Dayli-Management im April 2013 ankündigte, auch sonntags die Läden öffnen zu wollen, brachte es die Kirche, die Gewerkschaft und etliche Politiker gegen sich auf. Die Sonntagsöffnung sollte durch ein kleines, im Geschäft integriertes Bistro möglich werden. Der Streit war der Glücksspielfirma Novomatic zu viel, sie zog sich zurück, gab ihren Anteil an Haberleitner zurück.
Ab da begann das tägliche Ladenwunder ernsthaft zu bröckeln. Im Mai wurden die Lieferanten um Zahlungsaufschub gebeten, neue Investoren wurden vollmundig angekündigt. Ende Mai wurden 560 Beschäftigte arbeitslos gemeldet und die Schließung von 180 der 885 österreichischen Filialen angekündigt. Im Juni erhielten die Beschäftigten kein Gehalt, und Urlaubsgeld gab es auch nicht. Ende Juni wurden weitere 336 Leute entlassen, weitere 103 Filialen sollten geschlossen werden.
Krumme Touren
Haberleitner gibt die Schuld den Banken, sie würden ihm keinen Kredit gewähren. Anfang Juli wird bekannt, dass Haberleitner in der italienischen Stadt Udine beim Treffen mit Investoren eine Million Euro geklaut wurden. Er stellt den Antrag auf ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Die Beschäftigten stehen in nur noch rudimentär bestückten Läden. Sie kommen weiterhin «daily», sonst würden sie ihre Ansprüche verlieren. Kurz bevor Insolvenz angemeldet wird, geht das Unternehmen offenbar für einen symbolischen Euro (dies wurde nie offiziell bestätigt) an Martin Zieger, früher Manager bei Palmers und anderen Textilunternehmern.
Eine Meldung des österreichischen Rundfunks lässt aufhorchen: Die Reporter versuchen vergeblich, mit Zieger zu sprechen, bei seiner Unternehmensberatung ICU in Mödling hebt keiner das Telefon ab. Also schauen sie im Firmenbuch nach. Das Unternehmen hat eine Eigenkapitalquote von minus 460%, normal sind plus 30%. Auch bei der Schweizer JetSet AG, ein Sportartikelunternehmen mit Sitz in Kitzbühl, wo Zieger Geschäftsführer ist, vermeldet lediglich, dass Zieger nie hier sei. Die Muttergesellschaft des Unternehmens, Gaydoul in Zürich, bestätigt aber, dass Zieger Verwaltungsratsmitglied ist.
Während die Polizei das Verschwinden der Million in Udine untersucht, versuchen die neuen Eigentümer mit einer 40%-Rabatt-Aktion Geld in die leeren Firmenkassen zu spülen. Umsonst. Der mittlerweile bestellte Masseverwalter Rudolf Mitterlehner beantragt die Schließung von 335 Filialen, 1261 Beschäftigte verlieren ihre Arbeit. Bis Ende Juli hat man noch Zeit, die Firma doch noch zu retten. Der neue Eigentümer Rieger gibt den Finanzbedarf mit 40 Mio. Euro an und entlässt Mitte Juli den ehemaligen Eigentümer Rudolf Haberleitner als Geschäftsführer. Am 12.August ist endgültig Schluss.
Nicht jedoch mit den Absurditäten. Haberleitner wirft seinem Nachfolger vor, er sei es gewesen, dem in Italien das Geld gestohlen wurde. Zieger bestätigt in einem ORF-Fernsehinterview, in Udine dabei gewesen zu sein, er habe dort jedoch einen Geschäftstermin mit einem Investor für die italienischen Filialen gehabt. Nur zwei Tage nach der endgültigen Pleite hat Haberleitner wieder «Großes vor» so, die österreichische Zeitung Der Standard. Er will alle 885 Filialen wieder aufsperren und habe bereits einen Termin dafür mit dem Masseverwalter. Laut Nachrichtenagentur APA hat er sich für seine viele Arbeit für «Dayli» 400.000 Euro Jahresgehalt ausgehandelt. Fair wie er ist, ließ er sich jedoch nur 150.000 auszahlen. Auch mit seinem Dienstwagen, einem BMW-Kombi, bleibt er unter dem ihm zugestandenen Limit – er hätte ein Dienstauto im Wert von bis zu 150.000 Euro haben können.
Als es mit «Dayli» schon schlecht stand, wurden vermehrt Geschichten aus Haberleitners Vergangenheit bekannt. So brachte er Ende der 80er Jahre den Garagentorhersteller Lindpointner an den Rand des Ruins, nachdem er zur Gewinnvermehrung angeheuert worden war.
Sogar die wirtschaftsfreundliche Zeitung Die Presse fragt sich – bei aller Kritik am «unternehmerfeindlichen» Österreich – angesichts dieser Posse, wie jemand wie Haberleitner überhaupt die Schlecker-Filialen übernehmen konnte. Als Draufgabe kam rund um die Insolvenz noch die Nachricht, dass die «Dayli»-Beschäftigten, mehrheitlich Frauen, fast alle zu wenig Lohn erhalten haben.
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