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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2013
Bundesregierung fördert Kohlepolitik statt erneuerbarer Energien
von Kai Hasse

Die gute Nachricht zuerst: Im April dieses Jahres haben die deutschlandweit installierten Wind- und Solaranlagen in der laststarken Mittagszeit erstmalig eine Stromleistung von 36.000 Megawatt bereitgestellt. Das entspricht 50% der benötigten Gesamtversorgungsleistung oder 30 Atomkraftwerken. Damit wurde auch praktisch deutlich, dass die erneuerbaren Energien das Potenzial haben, die komplette Stromversorgung in Deutschland sicherzustellen. Kommen wir zur schlechten Nachricht: Es droht bei der Umlage zur Finanzierung der erneuerbaren Energien ein neues Defizit.

Ab Januar 2014 könnte sie auf fast 7 Cent je Kilowattstunde steigen. Erinnern wir uns: Erst zum Jahresbeginn 2013 ist die Umlage von 3,5 Cent/kWh auf 5,3 Cent/kWh gestiegen. Das ist eine Steilvorlage für die Energiekonzerne und ihre politischen Unterstützer. Ihre Behauptung: Wind- und Solarenergie sind zu teuer. Es ist vorhersehbar, dass sie im Herbst eine Kampagne zur Abschaffung des «Erneuerbare Energiegesetzes» (EEG) lostreten werden.

Sind die erneuerbaren Energien wirklich zu teuer? Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Gesamtkosten für Strom in den letzten Jahren rasant gestiegen sind. Sie liegen heute im Bundesdurchschnitt bei 28,7 Cent/kWh. Eine vierköpfige Familie, die einen Jahresverbrauch von 3500 kWh hat, muss dafür bereits 1000 Euro berappen, ein schwerer Brocken für Familien im Niedriglohnbereich oder Hartz-IV-Bezieher. Doch die EEG-Umlage macht nur 18% der Stromkosten aus. Wer von den gestiegenen Strompreisen profitiert, sind zunächst die Stromkonzerne. Allein RWE vermeldete für 2012 einen Gewinn von 9 Mrd. Euro. Schwer wiegt auch der Staatsanteil an den Stromkosten, nämlich Mehrwert- und «Öko»steuer, die allein 27% ausmachen. Bundesumweltminister Altmeier sieht hier kein Problem – wohl aber bei der EEG-Umlage.

Alle Kosten werden auf Erneuerbare abgewälzt

Obwohl die EEG-Umlage nur einen kleinen Teil der Stromkosten ausmacht, sollte ihr erneuter Anstieg trotzdem verwundern. Immerhin fällt 2013 der Zubau von Wind- und Solaranlagen eher bescheiden aus. Was ist also der Grund?

Werfen wir zur Beantwortung dieser Frage zunächst einen Blick auf den Mechanismus des Stromhandels. Wind- und Solaranlagenbetreiber speisen ihren Strom in die Netze ein und erhalten dafür eine fixe Vergütung nach dem Erneuerbare Energiegesetz (EEG). Der Strom wird dann an der Börse verkauft – zu Niedrigstpreisen von aktuell 3,99 Cent/kWh. Davon profitieren Großabnehmer und die Industrie, die hier Strom zu Schnäppchenpreisen einkaufen können. Das Problem: Aus der Differenz zwischen der fixen EEG-Vergütung und dem Börsenpreis entsteht ein sattes Defizit. Aufkommen müssen dafür die Verbraucher über die zu zahlende EEG-Umlage. Das Perfide: Je mehr Wind- und Solarenergie in die Netze eingespeist wird, desto stärker sinkt der Börsenpreis. Das Ergebnis: Energieversorger und Großunternehmen machen Kasse – die Kleinverbraucher bezahlen die Zeche.

Das ist noch nicht alles: Obwohl die privaten Haushalte nur 27% des erzeugten Stroms verbrauchen, werden sie auch noch überproportional mit der EEG-Umlage belastet. Momentan zahlen sie die genannten 5,3 Cent/kWh. Für die industriellen Großverbraucher gelten hingegen Ausnahmeregeln: Sie zahlen nur 0,05 Cent/kWh – also nur ein Siebzigstel des Satzes, den die Normalverbraucher zu bezahlen haben. Es lohnt sich, einen Blick auf diese Stromgroßverbraucher zu werfen. Dazu ge-hören ThyssenKrupp, Heidelberger Cement, die Geestland Putenspezialitäten oder der Vattenfall-Konzern, der für das Ausbaggern des ostdeutschen Braunkohletagebaus entlastet wird. Statt um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht es hier einmal mehr um die Verteilung von Geldgeschenken für die kapitalistischen Freunde der bürgerlichen Parteien.

Der nützliche Nebeneffekt: Die EEG-Umlage für Kleinverbraucher steigt weiter – was für eine Kampagne gegen Wind- und Solarenergie genutzt werden kann. Berechnungen zeigen dagegen, dass eine Rücknahme der ungerechten Begünstigung von großen Stromabnehmern und fixe Abnahmepreise statt des Börsenbetrugs zu einer Senkung des EEG-Betrags für Kleinverbraucher führen würden.

Ein wesentlicher Kritikpunkt der bürgerlichen Medien an den erneuerbaren Energien ist ihre Subventionierung. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass die massivsten Subventionen an die Kohle- und Atomkonzerne fließen. Ein Werkzeug dabei sind ausgerechnet CO2-Zertifikate. Sie wurden von der Bundesregierung bisher kostenfrei an die Energiekonzerne vergeben. Diese nicht bezahlten Kosten für die Zertifikate werden von den Konzernen aber als «Opportunitätskosten» auf den Strompreis aufgeschlagen. Eine Studie des Forums Ökologische und Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace hat ergeben, dass allein durch das Emissionshandelsystem zwischen 2005 und 2012 die Kohleverstromung in Deutschland mit 30,5 Mrd. Euro subventioniert wurde.

Die FÖS-Studie beziffert weiterhin, dass im Zeitraum 1950–2008 über 400 Mrd. Euro zur Subventionierung der Kohleverbrennung geflossen sind – ohne Berücksichtigung von externen Kosten. Zu den externen Kosten gehören die sog. «Ewigkeitskosten» durch großflächige Absenkungen des Bodens in weiten Bereichen des Ruhrgebiets. Die Konsequenz ist eine Umkehrung der Fließrichtung von Bächen und Flüssen im Ruhrpott. Dagegen helfen nur hunderte von Pumpen. Ohne dieses «ewige» Pumpen würde in kurzer Zeit ein Drittel des Ruhrgebiets in einem großen See versinken, der an einigen Stellen bis zu 25 Meter tief wäre. Diese Schäden und die damit verbundenen Kohlesubventionen werden aber von den bürgerlichen Politikern in die Kohlebilanz nicht eingerechnet. Und auch die Subventionen für den Atomstrom vergessen sie gerne: Von 1950 bis heute liegen sie bei 300 Mrd. Euro (FÖS-Studie).

Kohlemeiler werden ausgebaut

Die massiven Subventionen haben dazu beigetragen, dass die Kohleverstromung für die Konzerne heute besonders profitabel ist. Entsprechend werden Kohlemeiler massiv ausgebaut. So stieg im ersten Quartal 2013, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum, die Erzeugung von Strom aus der besonders umweltschädlichen Braunkohle um 2 Milliarden, aus Steinkohle sogar um 7 Mrd. Kilowattstunden. Der Zuwachs von Kohlekraftwerken hat auch die deutsche Klimabilanz verschlechtert. Nach Berechnungen der Internationalen Energieorganisation (IEA) hat die BRD 2012 ihren CO2-Ausstoß um 2,2% erhöht. Besonderen Anteil hatte daran der RWE-Konzern.

Der massive Stromüberschuss durch billigen Kohlestrom führt auch dazu, dass die Konzerne zunehmend Gaskraftwerke stilllegen, die sonst Verbrauchsspitzen abfangen würden. Für die Energiekonzerne ist das mittlerweile unrentabel. Gerade Gaskraftwerke passen aber gut zur fluktuierenden Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom, da sie minutenschnell hoch- und runtergeregelt werden können. Die trägen Kohle- und Atommeiler sind dagegen mit erneuerbaren Energien komplett inkompatibel. Die bürgerlichen Politiker sehen das offensichtlich anders. So lobte jüngst der SPD-Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Duin, ausgerechnet die Braunkohle. Wider besseren Wissens behauptete er: «Windkraft braucht Kohle, es geht nicht ohne.» Diese Prämisse ist nicht neu bei den Sozialdemokraten: Bereits Gabriel vertrat diese Politik, als er noch Bundesumweltminister war.

Blick in die Zukunft

Die IEA warnte jüngst, nach ihren Berechnungen würden die kapitalistischen Industrie- und Schwellenländer immer mehr Treibhausgase ausstoßen. Wenn dies so weiter gehe, werde sich die Erde schneller erwärmen als angenommen. Die Konsequenzen sind Wetterextreme, zerstörte Ernten, steigende Meeresspiegel und großes menschliches Leid. Einen leichten Vorgeschmack was das bedeuten könnte, haben wir jüngst beim Hochwasser an Elbe und Donau erlebt. Es war bereits das zweite Jahrhunderthochwasser – innerhalb von nur elf Jahren. Die volkswirtschaftlichen Kosten allein dafür umfassen viele Milliarden Euro. Die bürgerlichen Politiker nehmen aber dies alles lieber billigend in Kauf, als die Umstellung auf erneuerbare Energien voranzutreiben. Stattdessen betreiben sie die Zerstörung des «Erneuerbare-Energie-Gesetzes», das dazu geführt hat, dass heute immerhin 25% des Stroms aus Erneuerbaren stammt. Ein Beispiel für andere Länder, das wir verteidigen sollten.

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