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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2013

Lehren aus den Zugausfälle in Mainz
von Bündnis Bahn Für Alle

Die Zugausfälle am Mainzer Hauptbahnhof sind Folge falscher Unternehmensziele der Deutschen Bahn AG. Rendite auf dem globalen Logistikmarkt geht auf Kosten eines funktionierenden Bahnverkehrs in Deutschland. Personal und Wartung der Züge sind seit Jahren so knapp kalkuliert, dass die Störung der Normalfall ist. Die Durchsage von der «Störung im Betriebsablauf» gehört heute zur Bahnreise wie die vier Jahreszeiten.

Was wir momentan in Mainz erleben, ist nur die Spitze des Eisbergs. Ganz besonders die Fahrdienstleiter, aber auch die anderen Beschäftigten im Bahnbetrieb laufen schlichtweg auf dem Zahnfleisch. Über die letzten Jahre haben erhebliche Arbeitsverdichtungen stattgefunden, die nicht nur zu Zugausfällen wie in Mainz und zu den massiven Verspätungen im täglichen Betrieb führen, sondern auch auf Kosten der Sicherheit gehen.

Allein von 2000 bis 2010 sank die Zahl der Beschäftigten im Fernverkehr auf die Hälfte, beim Netz wurde fast ein Viertel abgebaut. In vielen Stellwerken müssen einzelne Beschäftigte heute Aufgaben erfüllen, für die eigentlich mehrere Fahrdienstleiter benötigt werden. Damit steigt die Fehleranfälligkeit erheblich, was schlimmstenfalls tödliche Folgen haben kann. Diese Probleme sind vom Management verursacht und sollen jetzt den Beschäftigten in die Schuhe geschoben werden.

Im Inland fährt die Deutsche Bahn auf der Schiene seit Jahren auf Verschleiß. 2012 war das Schienennetz mit einem Gewinn von 894 Millionen Euro der größte Gewinnbringer des Konzerns. Erhebliche Mittel daraus fließen in aber in das bahnfremde Logistikgeschäft.

Der radikale Belegschaftsabbau im Schienenbereich führt zu höherem Arbeitsdruck. Im reinen Schienenbereich gab es in Deutschland 1994 noch 320.000 Beschäftigte, Ende 2012 nur noch knapp 190.000 – ein Rückgang um gut 40%, trotz deutlich mehr Leistung. Das macht sich auch am Krankenstand bemerkbar: Ist der von 1994 bis 2004 deutlich gesunken (auf 3,8%), gibt es längst eine entgegengesetzte Entwicklung: 2012 lag er im Gesamtkonzern wieder bei 5%, bei der Schiene im Inland, dem Kerngeschäft, bei 7%. Eine gewaltige Menge an Überstunden hat sich aufgebaut: Allein im Personenverkehr (Inland) bis 2012 2,8 Millionen.

Es muss eine Wende in der Bahnpolitik geben. Statt auf einen Bilanzgewinn zu fokussieren, der nach Abzug der geleisteten Subventionen ohnehin ein Realverlust ist, muss die Deutsche Bahn AG von der Bundesregierung klare Vorgaben für einen sicheren, qualitativ hochwertigen Zugverkehr bekommen. Die Interessen der Beschäftigten dürfen nicht gegen die der Fahrgäste ausgespielt werden.

Aus einer Pressemitteilung des Bündnisses. Auf seiner Webseite www.bahn-fuer-alle.de findet sich auch ein Alternativer Geschäftsbericht der DB AG für 2012.

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