Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2013
von Charles-André Udry

Die Beziehungen zwischen dem helvetischen und dem deutschen Kapitalismus waren während des Zweiten Weltkriegs besonders eng. Darüber ist geforscht worden, unter anderem von einer offiziellen Kommission in der Schweiz unter der Leitung von Jean-François Bergier. Der Bergier-Bericht wird nun von den Rechten angegriffen.

Einige Zahlen zum wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und der Schweiz in der Zeit von 1939 bis 1945 erhellen das Verhältnis. 1939 stammten 23,2% der Importe in die Schweiz aus Deutschland, 1942 stiegen sie auf 32,2%, 1944 auf 36,5%, im Jahr 1945 aber fielen sie auf 4,4%. Die Exporte aus der Schweiz nach Deutschland machten im Jahr 1939 noch 14,8% aller schweizerischen Exporte aus, im Jahr 1942 schon 41,7%. Die Verflechtung der beiden Wirtschaftsräume, die schon vor dem Krieg bestand, verstärkte sich somit im Laufe des Krieges.

Im Jahr 1932 waren Schweizer Banken und Versicherungen in Deutschland stark präsent – ähnlich stark wie die großen Wirtschaftsmächte Großbritannien und Frankreich. Ab 1934 beschränkten die Schweizer Finanzunternehmen ihre Aktivitäten auf kurzfristige Operationen, verfügten jedoch immer noch über mehrere tausend Kunden, deren Wertpapiere sie verwalteten.

Bei Schweizer Geldinstituten lagen 1940 Vermögen aus dem Deutschen Reich von über 603,72 Mio. Schweizer Franken, es bildete den größten Teil aller ausländischen Vermögenswerte.* 1945 bezifferten die Vorstände der beiden Großbanken Crédit Suisse und Schweizerischer Bankverein die Guthaben aus dem Deutschen Reich auf eine Milliarde Schweizer Franken.

Aus Furcht, die Alliierten könnte diese Guthaben beschlagnahmen, wurden ihnen dann Fluchtwege in andere Länder geöffnet, die weniger stark unter Beobachtung standen. Dies lief über zahlreiche Zwischenstationen – Anwälte, Notare, auch Lebensversicherungen – sie haben Summen bewegt, über deren Höhe man wenig weiß. Ein Teil davon wurde zum «erbenlosen Nachlass» erklärt. Seit 1995/96 stehen diese Gelder im Zentrum einer Offensive von Paul Volcker, dem ehemaligen Präsidenten der US-Notenbank Federal Reserve.

Die Geschichte birgt auch noch Überraschungen für die Erfinder der «ältesten Demokratie der Welt» (die den Frauen das Wahlrecht erst im Jahr 1971 zugestand). Denn das Bankgeheimnis wurde 1934 nicht eingeführt, um die Spareinlagen der von Hitler bedrohten Juden zu schützen, sondern um steuerflüchtigem schweizerischen und ausländischen Kapital Immunität zu sichern. Es hat lange gebraucht, bis der Mythos über den Ursprung des Schweizer Bankgeheimnisses gelüftet wurde. Verantwortliche für die Wirtschaftspolitik wie Edmund Schulthess – Bundesrat, Bundespräsident und bis 1943 Präsident der Eidgenössischen Bankenkommission – haben «die wirtschaftlichen Erfolge des Reichs» gewürdigt.

Während des Krieges taten die Schweizer Kapitalisten und ihre politischen Vertreter alles, damit das «Dritte Reich» mit Waffen versorgt werde – sie lieferten Aluminium für die Messerschmitts, Uhrwerke für die Bomben usw. Und sie sorgten dafür, ein verlässlicher Ort für den Gold- und Devisentausch zu sein. Die Konten der Reichsbank bei der Schweizer Nationalbank interessierten die Schweizerische Bankiervereinigung (ihren «Deutschlandausschuss») so sehr, dass sie bis zum Schluss auf «gute Beziehungen» mit Nazideutschland Wert legte.

Der Autor ist Mitglied des Mouvement pour le Socialisme (MPS) in Lausanne und betreibt die Webseite http://alencontre.org.

*Siehe dazu Daniel Bourgeois: Business helvétique et Troisième Reich. Editions Page deux, 1998, der sich auf eine deutsche Statistik stützt.

Teile diesen Beitrag:

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.